Äthiopien (Teil 1 von 5)

Liebe Freunde,

ein Filmprojekt hat mich nach Addis Abeba in Äthiopien verschlagen. Für mich ist es das erste Mal Afrika. Zugegeben habe ich meine vielen Klischees über Bord geworfen und möchte im Geiste jungfräulich diese Erfahrungen auf mich wirken lassen. Wie immer völlig vorurteilsfrei teile ich nun meine Erfahrungen mit euch.

Ich verlasse die Gangway und gehe Richtung Zoll. Ein hochmotivierter Mitarbeiter misst mit einem Infrarot-Hand-Wärmemessgerät die Körpertemperatur der gerade angekommen 200 Fluggäste – Ebola lässt grüßen. Einer nach dem anderen. Diese Hürde genommen komme ich in die Willkommenshalle dieser futuristischen Garage. Ich fühle mich an den Wellblechpalast vom EHC Mannheim erinnert. Heute kennen wir diesen Verein als die Adler Mannheim und sie haben eine supermoderne Arena, aber davor spielten sie in einer Erdkuhle mit Wellblechdach und Wänden. Weis anmalen und fertig ist der Flughaben in Addis Abeba. Vor dem Zoll tausche ich meine Dollars gegen Birr. Gegen meine 6 Scheine bekomme ich einen über einen cm hohen stapel mit Geldscheinen. Am Zoll will man wissen wo wir wohnen. Dazu muss man wissen, in Addis gibt es kaum Straßennamen und Hausnummern werden nach gesellschaftlicher Hierarchie vergeben. Als Menenk diese Stadt in den 1870er auf der grünen Wiese, oder besser Savanne gründete, hat er die schönsten Stücke seiner neuen Kaiserresidenz an ausländische Kaiserkollegen und seine Hofgünstlinge verschenkt. Deswegen sind heute die Botschaften Englands, Deutschlands und Italiens ihrer Art und  die größten, grünen Filetstückchen mit teils Pferdegütern mitten in den besten Lagen der 4,5 Millionen Stadt. Um die Häuser der hohen Beamten siedelten wiederum deren Günstlinge, in einfachen Behausungen und Baracken. So passiert es, dass man durch slumartige Gegenden fährt auf Straßen, die jedes Auto fertig machen, und plötzlich steht man vor einer großen Mauer, hinter dem Aschenputtel in ihrem Traumschloss wohnt. Und das sind die heutigen Bezirke der Stadt und in diesen wird die Hausnummer nach der ursprünglichen Hierarchie vergeben. Doch der Burgfrieden wird gestört. Die Heterogenität von Addis als durchmischte Wohnstadt ist gefährdet durch die massive Bautätigkeit.

Die normalen, mittelständischen Behausungen, das sind mit Rindenstücken durchflochtene Eukalyptusstecken, die mit Lehm geputzt werden. Oben drauf ein Wellblech, und fertig ist der postkoloniale Mittelstandsbau. Erdbebensicher, ob in der Regenzeit oder im Sommer, immer trocken. Nur wird dieses Erbe Getrübt von dem krassen Wachstum des Sitzes der Afrikanischen Union und Zahlreicher UN-Hauptquartiere. Man spricht von einer kleinen Hauptstadt Afrikas mit weit über 40 internationalen NGOs. Das Preisniveau ist etwas niedriger als bei uns.

Ein riesiger Highway und eine große Eisenbahntrasse wird quer durch die Stadt gebaut. Der Wohnkuchen wird deswegen neu verteilt, da so die Wertigkeit der Gegenden sich verändert. Wer Karlsruhe anstrengend findet, der wird es als Witz empfinden, wenn er das hier sieht.

Aber stehen geblieben bin ich beim Zoll. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ohne Adresse waren die Damen am Empfang etwas zickig, aber dann doch hilfsbereit. Ich und mein Kollege Mathias verlassen den Zollbereich und kommen zur Gepäckausgabe. An der Wand stehen zwei Raumtrenner. Hinter ihnen werden die Fundstücke gelagert. Der so abgetrennte Bereich ist etwa 50 Meter Breit und 10 Meter Tief. In 4 Regaletagen werden da tausende Gepäckstücke gelagert. Davor liegen noch weitere 30-40 Koffer, die ihr Herrchen verloren haben und nun traurig zuschauen müssen, wie andere Koffer mitgenommen werden. Ein Frau Kontrolliert beim Verlassen des abgesperrten Bereichs, ob die Koffer wirklich mir gehört. Ja, Absperrungen. Das sind die üblichen Flughafenbänder. Rechts gehen mache an der Absperrbändern vorbei und sparen sich die Kontrolle. Dann stehen da die Röntgenmaschinen als letzte Bastion vor der Freiheit. Ein Mann steht da und deutet an, ich solle mein Gepäck durchleuchten lassen. Kein Ahnung warum und was sie wollen, ich mach’s halt. Hinter dem Monitor dämmert sanft der Mitarbeiter und am Ende des Fließbandes türmen sich die Gepäckstücke. Meine mit Elektronik vollgestopften Taschen scheinen ihn nicht zu interessieren. Insgesamt ist es sehr schwierig herauszufinden, wer hier arbeitet und wer nicht, Uniformen trägt hier kaum einer, außer die Mitarbeiter der Ethiopien Airines. Es steht einfach jemand im Anzug vor dir und sagt was du tun sollst.

Wir kommen nun aus dem Gepäckbereich in den Frei zugängigen Bereich des Flughafens. Mir fällt sofort auf, wie herzlich die Leute mit einander umgehen und wie nah man sich ist. Man hält sich unabhängig vom Geschlecht beim Reden die Hände und nimmt sich innig in den Arm, selbst wenn man sich nur entfernt kennt. Ich bin u.A. hier um das 60 Jährige Jubiläum der deutschen Schule zu filmen. Der Hausmeister kommt um uns abzuholen. Ein wahrer Glücksfall wie sich später zeigt. David fährt einen Mercedesbus. Er trägt ein Schild der Deutsche Botschaftsschule und trägt einen Fußballschal mit deutschen Farben. Er fährt einen Mercedesbus und singt ein Loblied auf die große Qualität von Made in Germany. Die Chinesen, sie bauen und sie Liefern, aber nach zwei Jahren ist alles hinüber. Sie arbeiten Tag und Nacht, genauso wie die Deutschen, zumindest die Alten Deutschen. Die jungen Deutschen sind genauso Faul wie alle anderen. Aber was sie bauen, das hält dann aber auch 15 Jahre.

Wir fahren durch die Stadt. Linien, Ampeln, wozu? An vielbefahrenen Straßen stehen Polizisten. Es geht aber alles gut voran. Zwischen die Autos passt kein Blatt, aber man gibt gerne die Vorfahrt her. Alles fließt wie die Energie eines Tai-Chi-Meisters. Die Menschen sind so unglaublich freudlich und Hilfsbereit. Jeder, selbst diejenigen, die nicht so viel Reichtum abbekommen haben, tragen ihr Schicksal mit großer würde. Insgesamt sehe ich sehr viele Menschen die mehr als schön und gutaussehend sind. Das Land scheint Gleichberechtigung ernst zu nehmen. Soldatinnen und Pilotinnen kreuzen immer wieder meinen Weg.

Obwohl wir angekommen sind, beginnt nun die wahre Odyssee. Wir müssen unser Hotel finden. Wie soll das gehen ohne Adresse? Die Taxifahrer wissen nichts. Zum Glück hatte ich für mich die wichtigen Orte auf Google Maps markiert und einen Screenshot davon gemacht. So kennen wir wenigstens die grobe Richtung. Wir folgen der Hauptstraße, die aussieht wie nach dem 2. Weltkrieg. Diese wird komplett neu gebaut. Es geht nicht weiter, der Bagger versperrt den Weg. Wir fahren also auf der gegenfahrbahn. Ich erinnere mich, dass Mathias sagte, dass das Hotel überraschend günstig sei. Ich beginne zu ahnen warum…

Eine Stunde später haben wir ein kleines schwarzes Schild entdeckt, das uns den Weg zum Ag Palace Hotel Addis Abeba leitete. Sogar unser einheimischer Fahrer sagt etwas von crazy Hotel. Aber das Hotel selbst ist cool, wir haben Wifi und Halbpension.

Wir schmeißen das Gepäck raus und wollen noch vor dem Wochenende unsere Drehgenehmigung. Die bekommen wir im Ministry of Communikation. Davor müssen wir aber zum Ministry of Foreign Affairs und uns anmelden. Wir halten vor dem Gebäude, gehen an den Blue Camouflage Soldaten mit ihren blankpolierten Kalaschnikows vorbei ins Gebäude. Wir geben unsere Pässe bei den Soldaten ab und bekommen Besucherausweise. Wir werden gefilzt und sollen den Pfeilen zu Pforte folgen. Dort sagt uns der Mitarbeiter, wir sollen zum Officer of Protocol. Wir gehen ins Hauptgebeude und treffen ihn. Er ist jung und wie fast alle Ministerialbeamten sehr gut gekleidet. Schöner Anzug, schönes Hemd, einen Kleiderständer mit ca. 10 Krawatten im Office. Gleich daneben die Serverfarm, die ganz schön krach macht. So richtig weiß er nicht was er mit uns anfangen soll. Gemeinschaftlich berät er mit den ständig hinein schwärmenden Kollegen, wo wir hinsollen. Endlich weiß man es. 2 Stock, altes Gebäude. Auch wieder ein sehr netter junger Mann, wundert sich dass wir jetzt schon da sind, die Veranstaltung findet doch erst ab dem 14. Statt. Ahhhh. Sie wollen schon früher drehen, da steht es. Ja wir faxen das gleich zu den Kollegen im Ministry of Communication und nach dem Lunch können sie die Unterlagen abholen.

Wir treffen die Schulleiterin und lernen das Kollegium kennen. Alle sind sehr nett, oft gleich per Du. Im Ausland rückt man halt näher. Aber dazu in einer anderen Mail mehr.

Nach dem Lunch kommen wir zum Kommunikationsministerum. Ich werde wieder gefilzt. Der Mann muss lachen als er mein fettes Bündel mit Geldscheinen sieht. Ich auch. Er schickt uns hinein. Fast hätten wir das Gebäude nicht gefunden, fehlt doch das Mittlere Stück des dreiteiligen Schildes. Minis-ommunication steht nun da. Überraschung: Man weiß von nichts. Der bemühte Beamte durchsucht die Unterlagen. Nichts von uns. Eine Stunde später, das Ministerium  hat schon geschlossen, hören wir, das Fax war kaputt. Nun wird der Schrieb eilig neu aufgesetzt. Zum Glück stehen in den Zimmern der Beamten ausreichend weiche Ledercouchen und wir schauen Blockbuster Movies im Arabischen Fernsehen im O-Ton. Wir listen auf wo wir drehen wollen. Eineinhalbstunden nach Dienstschluss kommen wir zum sichtlich genervten Fahrer, der sich noch sichtbar viel mehr Mühe gibt es sich nicht anmerken zu lassen.

Nun müssen wir noch für zwei Locations die Erlaubnis direkt anfragen, aber der Papierkrieg oder besser die erste Schlacht ist vorerst gewonnen. Nun kehren wir in unser Domizil ein, davon aber ein andermal mehr…

Viele Grüße,

Christoph