Bulgarien / Griechenland (Teil 3 von 3)

Hallo meine lieben,

dass Griechenland die Wiege der heutigen westlichen Kultur ist bekomme ich täglich vor Augen geführt. So heißt beispielsweise die Busstation Stasis oder jeder Ausgang ist mit Exodos beschildert. Wörter die in unserer Kultur eine weitere Tiefe besitzen gehören hier zur Alltagskultur. Psi ist nur ein Buchstabe im Alphabet und womit sich unsereins einst in Mathe rumplagen musste sind ebenfalls „nur“ ein Buchstaben. Doch es geht weitaus tiefer. Hier auf Milos wandle ich auf historischen Boden. Ich kann Festungsmauern anschauen, die über 4000 Jahre alt sind, hier ist mit der Venus von Milos ein Weltkulturgut entstanden und hier fand sich eine der ersten christlichen Gemeinden überhaupt. Ohne die griechischen Konvertiten wäre wohl das Christentum kaum über den Sektenstatus hinaus bekannt geworden und hätte sich kaum verbreitet. Dieser Wert in der Geschichte ist ein Schatz und ein Fluch zugleich. Wer sich damit begnügt über Generationen den immer gleichen Touristen mit Sonne, Antike und billigem griechischen Wein zu beglücken, kann damit kaum ein Land finanzieren bzw. weiterbringen. Außer Onassis und Anarchie in Athen ist Griechenland auf Klischeeebene nur für Billigtourismus bekannt. Wie sagte es Sebastian: zwei Wochen Griechenland müssen billiger sein als zwei Wochen in Manchester zu leben. Billigtourismus gibt es hier auf Milos allerdings nicht. Für alles muss man in der Hauptsaison tief in die Tasche greifen. Dafür kann man aber aus einem breiten Spektrum an Angeboten schöpfen. Es gibt hier so kleine Strandbuggies zu mieten. Ein nackter Gitterrohrrahmen, ein spritziger Zweitaktermotor und Stollenreifen. Damit lässt es sich bestimmt toll den Strand umpflügen, Thomas Crown lässt grüßen. Viele kommen mit dem Roller oder dem Motorrad auf die Insel. Da es hier keine Helmpflicht gibt, sieht man ständig Leute in Badelatschen und Muscle Shirt auf einem motorisierten Zweirad vorbeibrausen. Zum Teil sind die Teile lokal gemietet und in miserablem Zustand. Eine Brisante Mischung, besonders wenn die Mieter keine Ahnung von ihrem Fahrbaren Untersatz haben. Manchmal scheint es mir ist es nur eine Frage der Zeit bis man sie aus dem Straßengraben direkt ins Krankenhaus bringen muss.

Ein anderes witziges Teil war ein Miniparagleiter, der bei günstigem Wind einem auf einem Snowboard über die Wellen jagt. So ein Spielzeug hätte ich auch gerne.

Weil die Saison kurz ist, das Inselleben aber Langweilig, haben die meisten hier noch eine zweite Wohnung in Athen. Diese Doppelbelastung lässt sich am besten durch die EU finanzieren. Wer ein bisschen Land hat, der lässt ein paar Ziegen drüber jagen um die Subventionen dafür abzugreifen. Es scheint auch Programme zu geben, die innerhalb der EU allen Bürgern in etwa gleiche Lebensstandards bieten sollen. Ein Grieche wäre kein Grieche, wenn er diese Gelder nicht mitnehmen würde. Ohne die Griechen allzu gut zu kennen, bekomme ich allerdings die Perspektive der Bulgarischen Saisonarbeiter mit. Es gibt nämlich auf dieser Insel vier Gruppen. Einheimische oder zugewanderte Griechen die hier Arbeiten oder ein Unternehmen haben, griechische Urlauber, italienische Urlauber und Bulgaren. Von den Bulgaren macht aber keiner Urlaub. Sie Schuften für einen Hungerlohn in der Küche oder erledigen sonstige Hilfsarbeiten. Aus Sicht der Bulgaren grenzt das Arbeitsverhältnis schon an Ausbeutung und ihre griechischen Arbeitgeber kommen da (meistens) nicht gut weg. Ist aber nicht so schlimm, immerhin waren die Griechen Jahrhunderte bis Jahrtausende selbst ein unterworfenes Volk, geknechtet und geknebelt von Römern und Osmanen, später von seinem eigenen Militär. Und gerüchteweise soll es auch in Deutschland Unternehmer geben, die ihre Angestellten knechten und knebeln.

Am Hafen war heute wieder mal die Hölle los. Täglich kommen vier Fährschiffe und spucken neue sonnengierige Urlauber aus. Sie öffnen ihre riesigen Luken für einen Schwarm an Autos und eine Ameisenstraße aus Urlaubern führt direkt zu den Hotels oder dem Campingplatz. Polizisten achten penibelst darauf, dass die Ausschwärmer nicht stehen bleiben und Rückstaus verursachen. Mit einer Trillerpfeife bewaffnet, versteckt hinter ihrer Pornobrille, choreografieren sie die Autos durch die Gassen. Da wir sonst außerhalb der Saison hier waren, fasziniert uns dieses Schauspiel. Wo man noch vor Monaten mit 80 durch die Ortschaft brausen konnte, ist heute 30 schon schnell. Beim Einkaufen konnte man bequem am Straßenrand parken, Warnblinker rein und ab ins Geschäft. Heute patrouillieren mehrere Polizisten mit demonstrativ großem Strafzettelblock am Gürtel durch die Straßen und pfeifen Falschparker nieder und drängen sie mit überheblichen Wink Kommandos zurück auf die Straße. Irgendwie schlägt hier meine Politikwissenschaftliche Ausbildung durch. Ich finde es nicht schlecht, dass der Fluss im Verkehr durch die Ordnungshüter gesichert wird. Andererseits muss ich sagen, dass manche Dinge wie das Parken mitten auf der Straße selbstverständlich ein No Go sind, und die Auslagerung an die Polizei – Nach dem Motto es ist alles erlaubt, man darf sich nur nicht erwischen lassen – behindert auf Dauer die gesamte Gemeinschaft, erhöht die Kosten für alle und zeigt irgendwo, dass das Eigeninteresse über dem Gemeinwohl liegt. Mir kann keiner erzählen, dass den Falschparkern (mitten auf der Hauptstraße) nicht bewusst ist, dass er für hunderte den Verkehr behindert. Es sollte keinen Polizisten geben müssen, der denjenigen erst zusammenstauchen muss. Ego vor Polis!

Wo wir gerade von Behinderungen reden. Das Wassersystem von Milos ist total marode. Derzeit ist ein Hauptrohr geplatzt, und seit wenigstens drei Tagen suchen sie nach dem Loch. Dafür graben sie die halbe Ortschaft um, auch große Teile der Hauptstraße waren darunter. Sie haben es aber noch nicht finden können. Deswegen ist auch das Wasser abgestellt, das bei konstant 30-35 Grad! Denn das auslaufende Wasser folgt der Schwerkraft an den tiefsten Punkt der Leitung, und da ist der Telefonleitungsknotenpunkt der Insel. Das ist aber für die meisten nicht so tragisch, denn nahezu alle Häuser haben Zisternen. Wegen des allgemein niedrigen Wasserdrucks werden diese als Zwischenspeicher mit dem Brauchwasser gespeist. Bei Wassernutzung erhöhen Pumpen darin den Wasserdruck. Daher werden täglich die Zisternen von Tankwägen mit Brauchwasser befüllt, damit die Haushalte mit Wasser versorgt sind. Umgekehrt darf man wegen des niedrigen Abwasserrohrquerschnitts kein Toilettenpapier ins Klo werfen, da diese sonst häufig verstopfen. Das wird im Mülleimer entsorgt (lecker).

Sonst bleibt alles beim Alten…

In diesem Sinne, liebe Grüße

Christoph