Turin (Teil 1 von 1)
Hallo Leute
Auf vielfachem Wunsch lasse ich noch mal ein paar Geschichten aus dem fernen Italien auf die Allgemeinheit los. Wenn es diesmal ein wenig länger ist, dann liegt das an zwei Dingen: Es war sehr ereignisreich und ich hatte zwischendurch keine Gelegenheit mal eine Mail abzusetzen. Viele werden sich jetzt fragen, von was will er denn noch erzählen, der ist doch schon seit Weihnachten aus Italien zurück. Jenseits der Alpen, hat FIAT, auch bekannt als Turin beschlossen, die Winterolympiade auszurichten. Und weil einer meiner besten Heidelberger Freunde, ein Sportverrückter Finne ist, sind er, ich und noch zwei Freunde aus Finnland nach Italien zur Olympiade aufgebrochen. Also Heikki, Matti, Ville und ich. Meine erste Idee war mit dem Zug zu reisen. Die Finnen wollten einen Leihwagen. Als ich hörte was das kosten sollte, musste ich erst mal ein paar Minuten nach Luft schnappen.
Dann beschloss ich, ein Auto zu kaufen, um damit nach Italien zu reisen.
Dieses sollte danach wieder verkauft werden. By the Way, braucht jemand einen Golf II Bj. 84? Günstig abzugeben.
Der Plan war folgender, wir wollten die beiden stärksten Vorrundengegner Finnlands im Kampf um das Eishockeygold bei Olympia anschauen: Finnland Tschechisch Republik und gegen Kanada (das Brasilien des Eishockeys). Die Reise sollte uns zuerst nach Bern in der Schweiz führen. Denn dort wohnte ein Freund der Finnen, der in Helsinki ein Praktikum gemacht hatte, und die Jungs dorthin einlud.
Auf dem Weg dorthin diskutierten wir den neuen Namen unseres Golfs. Mein persönlicher Favorit war Concorde. Damit konnte ich mich aus unerfindlichen Gründen nicht durchsetzen. Am Ende einigten wir uns auf Mule (Maultier). Der Name war perfekt, da Maultiere für ihre Störrischkeit bekannt sind. So zickte das Auto besonders bei Steigungen des Öfteren herum und es sollte noch einige Tage dauern, bis wir dem Problem auf die Schliche kommen sollten.
Chris, das ist unser Schweizer Gastgeber, hat uns also an der verabredeten Stelle abgeholt und uns anschließend nach einem Bierchen in einer Dorfdisko dann zu sich nachhause gebracht. Es wunderte uns dann nicht mehr, warum er uns nicht gesagt hatte, wo er wohne, das hätten wir niemals finden können, schon gar nicht bei Nacht. Er wohnte in einem kleinen Weiler 60 Km von Bern in den Bergen in einem kleinen Bauernhof bei seiner Familie. Das war fantastisch. Seine Mutter hat uns am Tag darauf sogar ein echtes Schweizer [Chäzefoondü] (Käsefondue) gemacht, mit u.a. Milch aus eigener Herstellung.
Am zweiten Tag mussten wir dann weiter, da am Abend das Match gegen Tschechien auf dem Plan stand. Ziel war der Campingplatz von Turin. So ein schmutziges Dreckloch wie diesen Campingplatz habe ich noch selten gesehen.
Kein warmes Wasser, Die Duschen in den Plumpsklos und der halbe Rasen unter Wasser. Klopapier gab es auch keines. Willkommen in Italien. Nach einigen Suchen haben wir dann unser Zelt auf einem Trockenen Plätzchen aufgestellt.
Die Sonne strahlte und wir hatten sommerliche 9 Grad. Nach alldem bürokratischem Zeug konnten sich die Finnen in Schale werfen. Heikki hatte sich seinen Bart blau/weiß gefärbt, Matti hatte einen aufblasbaren Gummihammer auf dem Suomi draufstand (das ist finnisch und heißt Finnland) und Matti hatte eine ähnliche Keule. T-Shirts inklusive natürlich. Mir haben sie dann eine kleine Fahne mit Holzgriff in die Hand gedrückt.
Schwer gerüstet suchten wir daraufhin die Eishalle. Dort angekommen, aßen wir in einer chinesischen Pizzeria Pizza (war nicht so toll) und suchten darauf den Eingang. Ich sprach mit der Finnlandflagge in der Hand einen offiziell aussehenden Mann auf Italienisch an. Der sprach irgendein Kauderwelsch, worauf mir meine Finnen sagten, ich könne mit ihm auf Finnisch reden. Da war ich dann komplett verwirrt, bis ich die Fahne in meiner Hand sah. Anstatt nur zu übersetzen, hätten die Ärsche den Kerl auf Finnisch nach dem Weg fragen können.
Apropos Finnisch. Das ist eine witzige Sprache. Cazo (di [im ital.]) Merda heist auf Deutsch (aus dem Finnischen) schau mal das Meer. Auf aus dem Italienischen heißt das ein Schwanz aus Scheiße. Der Hund der Schweizer Familie hieß Bosko. Das ist im Finnischen ein Scheißhaufen. Selbst das internationale Wort Bier heißt dort Olut.
Irgendwie haben wir es in das Stadion geschafft um entsetzt feststellen zu müssen, dass der olympische Biersponsor Budweiser war. It looks like pie and it tastes like poo. Oder – was hat Sex im Kanu und Budweiser gemeinsam? It is both fucking close to water -. 4 Euro wollten diese Schweine für alkoholangereichertes Wasser. Ein Skandal. Witzig war auch, dass Visa ebenfalls ein Sponsor der Spiele sind. Daher kann man Tickets nur mit Visacard oder Bar bezahlen. Und was offizielle Souvenirs kosten will ich gar nicht sagen, da würde euch nur schlecht bei.
Das Spiel war fantastisch. Es war alles dabei, Blut, Schweiß und Prügeleien.
Tore und am Ende ein Sieg für die Finnen. Mit vier zu zwei und einem blutend vom Eis getragenen Jagomir Jagr, dem Starspieler Tschechiens. Alle waren wohl auf und wir legten uns bei knapp zwei Grad ins Zelt, Ville schlief im Auto. Wer jetzt sagt, warum habt ihr nicht in der Jugendherberge übernachtet, den kann ich nur auslachen, das war alles Monate vorher schon ausgebucht.
Auf jeden Fall haben die Finnen das gesamte Turnier Dominiert. Wie heißt es so schön, Offence winns Games, Defence Championships. Die Finnen spielten konsequent kompakt in der Abwehr und haben den Angriff der im gesamten Turnier dominierenden ersten Reihe das Tore schießen überlassen. Mit den ungewöhnlichen Namen Selänne, Koivu und Lechtinnen haben sie zu viel Silber und zu wenig Gold gewonnen. Nachdem sie Kanada in der Vorrunde fertig gemacht haben und die Tschechische Republik zu Schaschlik verarbeitet haben, kamen sie ungeschlagen ins Finale, wo sie in einem Herzschlagfinale den Schweden knapp unterlagen. Die Rivalität mit Schweden ist auch vergleichbar mit der Deutschen mit den Holländern (Wer ist nicht dabei 😉 ).
Der Plan war, nach dem Kanadaspiel nach Bologna zu Philip weiterzureisen.
Dann machte unser Golf wieder Ärger. An einer Ampel verweigerte er uns die Gefolgschaft. Zerschlagen rief ich beim ADAC an. Der schickte uns seinen gelben Engel, der sonntags flügellahm war. Mehr als Abholen war nicht drin.
Aber am nächsten Morgen schon konnten wir die Kiste schon wieder abholen.
Der Unterbrecher war kaputt, das war schon in der Schweiz das Problem und wurde nun endgültig durch Austausch gelöst. Unser Problem war nur, wo wir übernachten sollten. Unser Campingzeug war im Auto. Das war weg. Da haben wir uns bei meinem Onkel einquartiert.
Alle nahmen die Situation mit einer vorbildlichen Gelassenheit. Zumal der Schneefall einsetzte und Norditalien mit einem weisen Teppich überzog. Wir konnten dann im Kinderzimmer übernachten. Die Finnen waren nach dem 2 zu null Desaster für Kanada entsprechend gut gelaunt und schliefen gut.
Tags darauf kamen wir in Bologna an. Doch den Teil erzähle ich Euch ein andermal.
Getürkt muss nicht schlecht sein (Türkei 1)
2010 TürkeiTürkei (1 von 1)
Liebe Leute,
lange ist er her seit ich Euch geschrieben habe. Heute schreibe ich Euch aus der Türkei. Ich bin hier weil ich für die Deutsche Forschungs Gemeinschaft einen Film über eine Gruppe aus drei Althistorikern mache, die in den antiken Städten Ephesos (nahe Selcuk), Priene und Aphrodisias Rituale der Macht untersuchen. Ihr Interesse gilt dabei Inschriften, die an den Wänden und Säulen zu finden sind. Ein Teil dieser Inschriften waren Forderungen oder Ausrufe großer Menschenmengen, die dann an prominenter Stelle für alle nachlesbar waren, und dem römischen Kaiser später weitergegeben wurden. Daraus lässt sich so Einiges über die gegenseitige Beziehung von Kaisern und Untertanen herauslesen.
Gemeinsam mit Frank mache ich diesen Film und reisen 4 Tage lang mit einer Expedition aus Archäologen, Althistorikern und Linguisten, etwa 10 Leute in der Summe. Darunter nur Doktoranden, Post-Docs (Leute die ihren Doc schon haben) und Professoren. Das wissenschaftliche Niveau ist gigantisch, zumal simpel wirkende Inschriften für die Gruppe für über mehrere Stunden Diskussionsstoff liefert. Ob Altgriechisch, Latein oder andere antike Sprachen, die Jahrtausende alten Quader werden in Sekunden durchgelesen und analysiert. Für mich und Frank ist es eine wahre Freude zuzuschauen, wie mit kindlichem Eifer und Forscherdrang diese Gruppe alles aufsaugt und für uns verständlich plastisch in Zusammenhänge artikuliert. So besuchten wir in Priene eine Ausgrabungsstelle, wo ein sensationeller Basilikenfund vom Ausgrabungsleiter gezeigt wurde, wir mitten drin. Offene Fragen, die er noch nicht lösen konnte, hat er direkt an die Expedition weitergegeben. Später kam noch ein Professor aus Frankfurt, der über seine Ausgrabungen referierte. Unglaublich… ich liebe es schon immer über Antiken Städte zu krabbeln, ob ich es nach den Erlebnissen jemals wieder so intensiv erleben kann wie früher bleibt offen.
Aber nicht nur die Erlebnisse mit den Forschern sollten meine Sicht der Welt unbeeinflusst lassen. Auch meine Sicht auf die Türkei ist nun eine komplett andere. Technisch gesehen gibt es hier keinen Unterschied zu anderen Mittelmeer Ländern wie Italien, Bulgarien oder Griechenland. Seit 2004 der deutsche TÜV hier die Autos kontrolliert und die Verkehrsstrafen drakonisch erhöht wurden hat sich wohl einiges geändert. Die Autos sind recht neu, hauptsächlich FIAT und kleine Renaults fahren hier rum. Auffällig ist, dass Bonzenautos kaum zu finden sind, bis gestern habe ich nur sechs BMW und zwei Mercedes gesehen, und das waren auch nur die „kleineren“. Strom, Wasser, Wireless LAN gibt es hier überall, sogar die Imane wurden abgeschafft und durch ein Landesweit per LAN angesteuertes System ersetzt. Sprich alle Minarette haben Lautsprecher und es wird parallel in der ganzen Türkei der gleiche Sermon ausgerufen. Ein paar findige Hacker haben vor wenigen Jahren das System geknackt und die Texte ausgetauscht, aber das ist eine andere Geschichte. Die Straßen hier sind wirklich gut, die Autobahnen drei bis vier Spurig. Die Städte sind riesig – schon fast abschreckend groß. Es ist angenehm hier Auto zu fahren, es gibt fast keine Idioten auf den Straßen. Das Wetter ist gigantisch, wir haben jeden Tag zwischen 35 und 43 Grad gehabt, aber stets trocken mit einem angenehmen Wind von der Seeseite her. Die Landschaft ist mediterran und sehr fruchtbar, viel Grün und nahezu alles agrarisch oder Urban geprägt. Nur die Hanglagen weisen Wald auf, der Rest ist bewirtschaftet. Wenn man aber zu sehr von den Hauptstraßen weg kommt, werden die Straßen gelegentlich zu Schotterpisten. Und das macht richtig Spaß! Frank hat es gefilmt und das Video wird wohl bald fertig sein.
Die Leute sind hier sehr freundlich, und Kopftücher sehe ich fast gar nicht. Die ersten beiden Tage habe ich gerademal sechs gezählt, am dritten siebzehn, da waren wir im ländlichen Raum unterwegs. Und die Frauen die eines tragen würde ich eher als Gulaschkanonen bezeichnen. Die jungen Türkinnen laufen auch gerne mal Bauchfrei rum, haben kurze Hosen an und schwimmen mit Bikini oder Badeanzug am Strand. Die Frau an der Hotelrezeption hat uns gestern Abend ungefragt auch gleich erzählt, was „ich liebe dich“ auf Türkisch heißt. Natürlich kann ich nur was über die äußerliche Form sagen, in die Köpfe kann ich nicht reinschauen. Nur läuft halt auch hier „Sex and the City“ im Fernsehen. Auf dem Weg nach Izmir haben wir im „Virgin Radio“ Drum ‚N’ Base und Techno gehört. Der Einfluss des Westens ist allgegenwärtig. Der Staat ist laizistisch und eine latente Militärdiktatur. Die Schrift ist mit lateinischen Lettern. Europäische Archäologen erforschen die alten Kulturen der Türkei. Schliemann hat hier Troja entdeckt und den Fund nach Deutschland mitgenommen. Die Türkei ist heute darüber nicht sehr glücklich, weiß sie doch um die Anziehungskraft ihrer antiken Vergangenheit. Deswegen hat jede Ausgrabung einen Wächter. Dieser begutachtet rund um die Uhr die Ausgrabungen und lässt sich Bericht erstatten. Diese werden in der Regel für 12 Wochen von ihren Polizeistationen abkommandiert und spielen Anstandsdame für die Archäologen. Ihnen wird auch indoktriniert, dass sie bei ausländischen Gräbern stets vom Schlimmsten auszugehen hätten. Da spielt das persönlich Verhältnis dieser einsamen jungen Polizisten zu den Ausgrabungsleitern natürlich ein große Rolle. Gerade wenn dieser der Einzige am Ort ist, der überhaupt türkisch kann. Denn die Wächter müssen auch bei den Ausgräbern übernachten.
Hier sind also wir Westler die Barbaren. Die Barbares, so nannten die alten Griechen alle, die nur „babababa“ gesprochen hatten, also der Hochkulturellen Sprache der Griechen nicht mächtig waren. Die Römer übernahmen dieses Konzept und das Wort dafür. Ich stelle mir Conan/Arnold Schwarzenegger vor wie er einem Griechen etwas über… „Crom is se stronges emong se gods. Bcose heee broot se humans se steeel“ erzählt. Aber wie ihn später dann der gebildete Magier erklärt, ist nicht der Stahl die mächtigste Waffe, sondern das Fleisch. So auch hier. In Bodrum, scheint es eine Art von weiblichen Sextourismus zu geben, wo Damen mittleren Alters Dinge gesagt bekommen, die sie in der Heimat schon lange nicht mehr vernommen haben. Für kleine Gefälligkeiten treffen sich hier östlicher Machismo und westliche Sexualmoral. Dieses Phänomen, dass diese Frauen hier „leicht“ zu haben seien spricht sich natürlich rum, auch wenn die Hintergründe nicht bekannt sind. Wenn sie denn einer wissen will.
Ich bin immer wieder beeindruckt, was die Menschen der Antike zu leisten fähig waren. Ob die riesigen Tempel oder Kanalisation, Wasserversorgung, Transport, Handelswege usw.. Aber auch die Sexualmoral der alten Griechen war etwas Besonderes. Es galt „Knaben für die Lußt, Frauen für die Liebe“. Da waren natürlich nicht die Ehefrauen gemeint – die sind nämlich nur für Haushalt und Kinder kriegen da – sondern die Huren. Seit der Antike sind viele Errungenschaften verloren gegangen und mussten schmerzvoll wieder entdeckt werden. Z.B. kannte man schon recht genau den Erdumfang oder wusste um die Funktion einer Dampfmaschine.
Immer wieder werde ich auf dieser Tour mit der Natur des Menschen konfrontiert. Ob es das Bedürfnis, oder besser der Trieb nach körperlicher liebe ist, oder der Drang nach Macht – die beide sehr Eng bei einander liegen – die Antike und die Gegenwart offenbaren mir die All Präsenz dieser menschlichen Fokussierung. Im Amphitheater von Aphrodisias gab es einen Thron für den Stadthalter. Rechts und links um ihn herum waren in der ersten Reihe die Plätze für die Edlen der Stadt. Der Pöbel musste von oben die Ränge besetzen, während die Edlen und Gäste über den Seiteneingang ebenerdig das Theater betraten. Hierbei schritten sie an den Ehrentafeln und eingemeißelten Sonderrechteinschriften vorbei, um Allen die herausgehobene Stellung der Stadt zu demonstrieren. Macht und Sexualität. Die Stellung der Personen wird durch ihre Sitzposition verdeutlicht. Jeder kann sie sehen. Sie sind etwas Hervorgehobenes. Ja, ich hab da gesessen. Da merkt man sofort, wie Macht gezeigt und perpetuiert wird. Wer solche Symbole der Macht an die Seite gelegt bekommt, wird auch nicht hinterfragt (wenn er sich nicht zu dämlich anstellt). So wurde in der Zeit des British Empires einem Afrikanischen Bündnisgenossen der Zwischenstopp in Rom verweigert. Man fürchtete, der Mann würde die Italiener für mächtiger halten, weil Rom die monumentalere, die eindrucksvollere Stadt sei im Vergleich zu London. Die Macht der Symbole ist auch die Macht des Unbewussten Sexualtriebs. Der Mensch ist ein Herdentier. Die Männchen unserer Artverwandten Primaten dürfen in der Regel die Weibchen der Gruppe auswählen oder haben gleich alle. Da kommen andere Männchen gerne auch mal zu kurz. Die Symbolik der Macht orientiert sich oft an der Symbolik der Sexualität. Achtet mal drauf. Die Frage die ich mir immer wieder stelle ist, ob wir dieses Dilemma in der Gegenwart überwunden haben, oder sogar verschärft. In einem Interview hat mal eine verschleierte Marokkanerin im Fernsehen mal gesagt, dass die armen westlichen Frauen sich fast nackt ausziehen müssen, und trotzdem haben sie oft keinen Mann der mit ihnen Liebe macht…
Viele Grüße aus der sonnigen Türkei,
Christoph
Stasis (Bulgarien/Griechenland 3)
2009 Bulgarien/GriechenlandExodos (Bulgarien/Griechenland 2)
2009 Bulgarien/GriechenlandEinmal Bulgarien und zurück (Bulgarien/Griechenland 1)
2009 Bulgarien/GriechenlandBulgarien / Griechenland (Teil 1 von 3)
Liebe Leute,
es ist lange her, dass ich Euch von meinen Reisen berichtet habe. Nun möchte ich Euch von meiner Reise und meinen Entdeckungen der unendlichen Tiefe der bulgarischen Seele berichten. Oder besser, so wie ich sie wahrgenommen habe. Der Grund unseres einwöchigen Aufenthaltes in Bulgarien ist, den Vater von Rossi zu treffen. Unglücklicherweise ist ihm etwas Wichtiges dazwischen gekommen, sodass wir nun ohne ihn hier sind.
So wie einst der Ethnologe Clifford Geerts anhand des traditionellen balinesischen (Baali ist eine der indonesischen Hauptinseln) Hahnenkampfes Rückschlüsse auf die Mentalität und die Lebensattitüden der Menschen schloss, so meine auch ich, dass der Umgang der Bulgaren mit ihrem Auto mehr sagt, als denen lieb sein wird.
Ein Freund von Rossi sagte mal, das schlimmste was ihm passieren könnte wäre, wenn seiner Freundin oder seinem Auto, einem weißen 3er BMW, etwas zustoßen würde. Autos spielen in der Wahrnehmung hier eine große Rolle (wie ich bereits in meinem letzten Brief über Bulgarien beschrieben hatte). Sie werden gehegt und gepflegt. Sie sind der verlängerte Arm der Identität, der wichtigste Schritt zum Selbstverständnis, modern zu sein. Der Schneider im Erdgeschoss hat sich darauf spezialisiert, Sitzbezüge zu erneuern. Er ersetzt alte Sitzbezüge und kleidet ganze Autos mit Leder aus. Gestern hat er einen Himmel neu beklebt. Die Autos des neuen, unteren Mittelstandes kommen meist aus Österreich oder aus Deutschland, gelegentlich aus Italien und werden hier wieder fit gemacht. Das Handwerk bekommt eine neue Bedeutung. Der Import von Altautos ist ein einträgliches Geschäft. Glücksforscher haben herausgefunden, dass nicht das bessere Auto die Leute glücklicher macht, sondern die stärkste Verbesserung vom alten zum neuen Standard. Diese Phase ist für einige bestimmt die glücklichste. Denn Autos sind ab da ersetzbar. Nirgendwo sehe ich das besser als beim Bruder von Rossi. Er hat nun sein siebtes Auto in vielleicht 5 Jahren. Seine Erstes war toll, ab da war aber keines, das ihn glücklicher gemacht hätte. Kein Wunder. Wer nur den Schrott der ersten Welt bekommt, der wird auf demselben, niedrigen Niveau verweilen. Sprünge sind da erst ab 50.000 Euro Fahrzeugswert merklich. Es ist bei ihm schon bemerkbar, dass das Auto seinen Glückbringenden Effekt erodiert hat. Er sucht nun nach dem perfekten Auto. Das bekommt man kaum für die Hand voll Euro, die einem hier zur Verfügung steht. Der Motor der Globalisierung ist und bleibt, das Streben nach einem besseren Leben: Konsum und Glücke, das synonym für ersteres steht. Gegenstände bekommen hierbei eine soziale Rolle. Sowohl die Selbstwahrnehmung, als auch das Lebensgefühl wird von Gegenständen kommuniziert (Wer trägt denn alles Chucks, und wer braucht wirklich eine Kamera im Telefon?).
Aber zurück zum Auto. Der Bulgare tankt im Allgemeinen so viel, dass es genau so weit reicht, wie er vor hat zu fahren. Der Deutsche macht voll, außer er ist gerade knapp bei Kasse. Was sagt uns das? Der Bulgare hat einen Plan, plant aber nicht diesen zu verlassen. Einerseits sind die Bulgaren Weltmeister im Improvisieren, in ihrer Denkart leben sie in den Tag hinein. Das Morgen ist nicht so wichtig. So werden auch Geschäfte gemacht. Die bulgarischen Produkte sind Mühe- und liebevoll gemacht. Aber selbst mir als Laie fallen oft eklatante Mängel auf, wo ich mich frage, warum man sich damit begnügt sich Muhe zu machen, aber nicht ein möglichst perfektes Produkt anstrebt. Beispiel Auto: Das Auto wird nur repariert, wenn die Fahrfähigkeit verhindert wird, nicht aber, wenn sie nur beeinträchtigt wird. Man müht sich, das Auto gut aussehen zu lassen. Es blitzt und funkelt wie eine Bordelltür. Aber die Reifen sind abgefahren…
Ein anderes Thema ist der Umgang mit den Kindern. Wer unsere Sophia kennt, der weiß, dass sie sehr bestimmt ist und ihren Lebensraum gerne erkundet. In den Augen der Bulgaren ist sie ungezogen. Hier ist das Ideal, dass die Kinder ruhig sind und “hören”. In der Innenstadt war die Sophia das einzige Kind unter sechs Jahren, das sich mit den eigenen Füssen fortbewegte. Alles andere war in einem Dreirad oder einem Kinderwagen gefangen. Besonders diese Dreiräder haben einen Bügel, de rein “flüchten” verhindert, und einen Griff für die Mutter, um das Kind zu führen. Wenn dann doch ein Kind aufmuckte, wurde es eingeschüchtert. Am Nachbarstisch in einem Kaffee sagte die Mutter, dass wenn das Kind (etwa 1,5 Jahre) nicht gehorche, dann würde der Vater ihr später die Hände brechen. Später sagte sie noch, er werde in einem Eimer gesperrt. Seltsame Sitten gibt es hier. Ich kann nicht beurteilen, ob das in ganz Bulgarien so gelebt wird, oder nur in dieser Region. Wenn Kinder so sozialisiert werden, könnte ich mir vorstellen, dass es sich auf die Mentalität der Menschen auswirkt. Bulgarien ist hoch korrupt. Die EU hat die Zuzahlung für Infrastrukturhilfen beendet, da das vorherige Geld “verschwunden” ist. Im Fernsehen hat vorgestern einer gesagt, dass es Bulgariens Problem sei, dass die Menschen faul seien, und zu wenig Verantwortung übernehmen könnten. Ob man hier sich Freunde macht, wenn man sowas sagt weiß ich nicht. Es deckt sich aber nur bedingt mit meinen Beobachtungen. Faul sind die Leute nicht. Die schuften zum Teil wie Blöde. Nur ist es wie mit allem… mit Mühe allein kommt man nicht weiter. Es geht darum, dass der Tank auch morgen voll sein muss, damit das Auto läuft. Es fehlt die Präzession, das Know How, es herrscht eine “das wird schon irgendwie passen” Mentalität. Also die Verantwortung, auch über die gegenwärtigen Bedürfnissen zu stehen, und das Große und Ganze zu erfassen. Dass man die Hand nicht beißen darf die einen füttert leuchtet den Deutschen irgendwo ein. Dass die EU seine Gelder einfriert hat einen katastrophalen Flurschaden ausgelöst.
Die Politik reagierte mit Antikorruptionskampagnien. Aber wie hat es ein bulgarischer Intellektueller mal gesagt: Auf die Frage warum das postkommunistische Bulgarien es immer noch nicht geschafft hat sich von der Korruption zu befreien sagte er, man könne keinen neunen Puff mit alten Huren aufmachen. Erst wenn die politische Kaste sich erneuert hat, dann wird hier Neuland betreten werden können.
Was ich gut finde ist, dass die Polizei der Anarchie auf den Straßen Herr werden möchte. Eine hohe Kontrolldichte und immer wieder Unfallwracks, denen man ansieht, dass darin niemand hat überleben können, formen hoffentlich eine neue Sicht auf die bisher negativ besetzten Werte wie Ordnung (=Staat) und Gesetze. Auch hier hat man vermutlich erkannt, dass man über das Auto die Geisteshaltung den Bulgaren am besten neu ausrichten kann 😉 .
Es Grüßt
Christoph
Mein zweites Mal… (Bulgarien 2)
2007 BulgarienIch bin dann mal kurz weg… (Bulgarien 1)
2007 BulgarienDie Finnische Invasion
2006 TurinTurin (Teil 1 von 1)
Hallo Leute
Auf vielfachem Wunsch lasse ich noch mal ein paar Geschichten aus dem fernen Italien auf die Allgemeinheit los. Wenn es diesmal ein wenig länger ist, dann liegt das an zwei Dingen: Es war sehr ereignisreich und ich hatte zwischendurch keine Gelegenheit mal eine Mail abzusetzen. Viele werden sich jetzt fragen, von was will er denn noch erzählen, der ist doch schon seit Weihnachten aus Italien zurück. Jenseits der Alpen, hat FIAT, auch bekannt als Turin beschlossen, die Winterolympiade auszurichten. Und weil einer meiner besten Heidelberger Freunde, ein Sportverrückter Finne ist, sind er, ich und noch zwei Freunde aus Finnland nach Italien zur Olympiade aufgebrochen. Also Heikki, Matti, Ville und ich. Meine erste Idee war mit dem Zug zu reisen. Die Finnen wollten einen Leihwagen. Als ich hörte was das kosten sollte, musste ich erst mal ein paar Minuten nach Luft schnappen.
Dann beschloss ich, ein Auto zu kaufen, um damit nach Italien zu reisen.
Dieses sollte danach wieder verkauft werden. By the Way, braucht jemand einen Golf II Bj. 84? Günstig abzugeben.
Der Plan war folgender, wir wollten die beiden stärksten Vorrundengegner Finnlands im Kampf um das Eishockeygold bei Olympia anschauen: Finnland Tschechisch Republik und gegen Kanada (das Brasilien des Eishockeys). Die Reise sollte uns zuerst nach Bern in der Schweiz führen. Denn dort wohnte ein Freund der Finnen, der in Helsinki ein Praktikum gemacht hatte, und die Jungs dorthin einlud.
Auf dem Weg dorthin diskutierten wir den neuen Namen unseres Golfs. Mein persönlicher Favorit war Concorde. Damit konnte ich mich aus unerfindlichen Gründen nicht durchsetzen. Am Ende einigten wir uns auf Mule (Maultier). Der Name war perfekt, da Maultiere für ihre Störrischkeit bekannt sind. So zickte das Auto besonders bei Steigungen des Öfteren herum und es sollte noch einige Tage dauern, bis wir dem Problem auf die Schliche kommen sollten.
Chris, das ist unser Schweizer Gastgeber, hat uns also an der verabredeten Stelle abgeholt und uns anschließend nach einem Bierchen in einer Dorfdisko dann zu sich nachhause gebracht. Es wunderte uns dann nicht mehr, warum er uns nicht gesagt hatte, wo er wohne, das hätten wir niemals finden können, schon gar nicht bei Nacht. Er wohnte in einem kleinen Weiler 60 Km von Bern in den Bergen in einem kleinen Bauernhof bei seiner Familie. Das war fantastisch. Seine Mutter hat uns am Tag darauf sogar ein echtes Schweizer [Chäzefoondü] (Käsefondue) gemacht, mit u.a. Milch aus eigener Herstellung.
Am zweiten Tag mussten wir dann weiter, da am Abend das Match gegen Tschechien auf dem Plan stand. Ziel war der Campingplatz von Turin. So ein schmutziges Dreckloch wie diesen Campingplatz habe ich noch selten gesehen.
Kein warmes Wasser, Die Duschen in den Plumpsklos und der halbe Rasen unter Wasser. Klopapier gab es auch keines. Willkommen in Italien. Nach einigen Suchen haben wir dann unser Zelt auf einem Trockenen Plätzchen aufgestellt.
Die Sonne strahlte und wir hatten sommerliche 9 Grad. Nach alldem bürokratischem Zeug konnten sich die Finnen in Schale werfen. Heikki hatte sich seinen Bart blau/weiß gefärbt, Matti hatte einen aufblasbaren Gummihammer auf dem Suomi draufstand (das ist finnisch und heißt Finnland) und Matti hatte eine ähnliche Keule. T-Shirts inklusive natürlich. Mir haben sie dann eine kleine Fahne mit Holzgriff in die Hand gedrückt.
Schwer gerüstet suchten wir daraufhin die Eishalle. Dort angekommen, aßen wir in einer chinesischen Pizzeria Pizza (war nicht so toll) und suchten darauf den Eingang. Ich sprach mit der Finnlandflagge in der Hand einen offiziell aussehenden Mann auf Italienisch an. Der sprach irgendein Kauderwelsch, worauf mir meine Finnen sagten, ich könne mit ihm auf Finnisch reden. Da war ich dann komplett verwirrt, bis ich die Fahne in meiner Hand sah. Anstatt nur zu übersetzen, hätten die Ärsche den Kerl auf Finnisch nach dem Weg fragen können.
Apropos Finnisch. Das ist eine witzige Sprache. Cazo (di [im ital.]) Merda heist auf Deutsch (aus dem Finnischen) schau mal das Meer. Auf aus dem Italienischen heißt das ein Schwanz aus Scheiße. Der Hund der Schweizer Familie hieß Bosko. Das ist im Finnischen ein Scheißhaufen. Selbst das internationale Wort Bier heißt dort Olut.
Irgendwie haben wir es in das Stadion geschafft um entsetzt feststellen zu müssen, dass der olympische Biersponsor Budweiser war. It looks like pie and it tastes like poo. Oder – was hat Sex im Kanu und Budweiser gemeinsam? It is both fucking close to water -. 4 Euro wollten diese Schweine für alkoholangereichertes Wasser. Ein Skandal. Witzig war auch, dass Visa ebenfalls ein Sponsor der Spiele sind. Daher kann man Tickets nur mit Visacard oder Bar bezahlen. Und was offizielle Souvenirs kosten will ich gar nicht sagen, da würde euch nur schlecht bei.
Das Spiel war fantastisch. Es war alles dabei, Blut, Schweiß und Prügeleien.
Tore und am Ende ein Sieg für die Finnen. Mit vier zu zwei und einem blutend vom Eis getragenen Jagomir Jagr, dem Starspieler Tschechiens. Alle waren wohl auf und wir legten uns bei knapp zwei Grad ins Zelt, Ville schlief im Auto. Wer jetzt sagt, warum habt ihr nicht in der Jugendherberge übernachtet, den kann ich nur auslachen, das war alles Monate vorher schon ausgebucht.
Auf jeden Fall haben die Finnen das gesamte Turnier Dominiert. Wie heißt es so schön, Offence winns Games, Defence Championships. Die Finnen spielten konsequent kompakt in der Abwehr und haben den Angriff der im gesamten Turnier dominierenden ersten Reihe das Tore schießen überlassen. Mit den ungewöhnlichen Namen Selänne, Koivu und Lechtinnen haben sie zu viel Silber und zu wenig Gold gewonnen. Nachdem sie Kanada in der Vorrunde fertig gemacht haben und die Tschechische Republik zu Schaschlik verarbeitet haben, kamen sie ungeschlagen ins Finale, wo sie in einem Herzschlagfinale den Schweden knapp unterlagen. Die Rivalität mit Schweden ist auch vergleichbar mit der Deutschen mit den Holländern (Wer ist nicht dabei 😉 ).
Der Plan war, nach dem Kanadaspiel nach Bologna zu Philip weiterzureisen.
Dann machte unser Golf wieder Ärger. An einer Ampel verweigerte er uns die Gefolgschaft. Zerschlagen rief ich beim ADAC an. Der schickte uns seinen gelben Engel, der sonntags flügellahm war. Mehr als Abholen war nicht drin.
Aber am nächsten Morgen schon konnten wir die Kiste schon wieder abholen.
Der Unterbrecher war kaputt, das war schon in der Schweiz das Problem und wurde nun endgültig durch Austausch gelöst. Unser Problem war nur, wo wir übernachten sollten. Unser Campingzeug war im Auto. Das war weg. Da haben wir uns bei meinem Onkel einquartiert.
Alle nahmen die Situation mit einer vorbildlichen Gelassenheit. Zumal der Schneefall einsetzte und Norditalien mit einem weisen Teppich überzog. Wir konnten dann im Kinderzimmer übernachten. Die Finnen waren nach dem 2 zu null Desaster für Kanada entsprechend gut gelaunt und schliefen gut.
Tags darauf kamen wir in Bologna an. Doch den Teil erzähle ich Euch ein andermal.
Arbeitslos in Italien (Italien 20)
2005 BolognaBologna (Teil 20 von 20)
Hallo Leute
Heute gibt es eine weitere Bombe: Das Sozialsystem in Italien. So mancher wird jetzt sagen: das gibt es doch nicht, und er soll recht behalten. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Nur Saisonarbeiter im Sùden dùrfen sich ùber ùbergangsgeld freuen, wenn sie 150 Tage im Jahr gearbeitet haben.
Armes Deutschland. Mir tun jetzt schon all die Harz4empfànger Leid die von ihrer Stùtze nicht mal in den Urlaub fahren kònnen. 😉
Staatliche Subventionen gibt es nicht. Der Staat hat wenig ausgaben, aber trotzdem nie Geld. Ich frage mich ernsthaft, was die mit der ganzen Kohle machen? Berlusconis Arsch vergolden? Das Autobahnnetz ist Privat. Die Schwimmbàder teuer. Die Museen sind in Erbàrmlichen Zusatand. Die Unis haben praktisch keinen Mittelbau (Assistenzen, Habilitanten…) und kosten auch noch Geld. Wo ist die Kohle? Ich weiss es nicht. Ich denke dass das meiste Geld in Fussballspieler beim AC Milan investiert wird.
Fussball, ja. Das ist neben der Mafia die zweite grosse Gruppierung von Verbrechern in Italien. Das sagt sogar Karl-Heinz Rummenigge, und dem glaube ich eh alles. Berlusconi ist der Besitzer vom AC Milan. Der Pràsident ist aber ein anderer: Adriano Galliani. Der ist aber auch der Pràsident der Liga und handelt als solcher die Vertràge mit den Medienvertretern aus, nàmlich mit seinem Chef Berlusconi, der RAI kontrolliert und nebenbei noch ein Medienimperium mit einigen TV-Sendern, Radiostationen und Nationalen Zeitungen besitzt. Und er ist der Ministerpràsident Italiens. Die einzige Nationale Zeitung die er nicht besitzt gehòrt der Agnelli Familie (Fiat…), und denen gehòrt Juventus Turin. Und die Besitzer vom AC Florenz, die Gebrùder Chicogorio (oder so) sind auch dick im Fernsehen dabei.
Da werden auch mal unerwùnschte Aufsteiger, gerade Vereine aus dem Sùden konsequent leergekauft oder anderweitig schikaniert. Der Jugendtrainer des AC Lecce zum Beispiel hat schon 6 Titel geholt. Er darf aber keinen A-Schein machen, weil erstmal die Gùnstlinge der grossen Vereine bedient werden und die Interessen der kleinen werden konsequent missachtet.
Die Italienesche Presse schaut mit Hochachtung auf die Deutschen Fussball, nicht weil es Korruption gibt, sondern weil sie Sie aufdecken, ohne Rùcksicht auf Verluste.
In diesem Sinne,
Euer Christoph
Feldforschung (Italien 19)
2005 BolognaBologna (Teil 19 von 20)
Hallo Leute
Heute habe ich die Diaspora der Bangladeschi nach Italien untersucht. Mein Informant ist einer der Pizzaverkàufer in meiner Lieblingspizzaria. Das ist so eine Stehpizzaria, wo es alles frisch und gùnstig gibt. Sehr lecker!
Auf jeden Fall kommt er aus Bangladesch und arbeitet fùr seinen Onkel, dem Besitzer. Er selbst hat in B Sozialwissenschaften studiert und spricht zwar relativ schlecht Englisch, aber immer noch deutlich besser als die meisten Italiener. Selbst die Studierenden und Studierten kònnen zum grossen Teil kein Englisch, oder nur sehr schlecht. Das kommt weniger von den Italienern selbst, sondern von der mangelhaften Ausbildung der Lehrer, die die Sprache selbst kaum kennen und kònnen. Dann zieht es die Italienischen Studenten wenn sie im Ausland studieren eher nach Spanien oder Frankreich, da die Sprachen fùr sie deutlich einfacher zu lernen sind.
Wie auch immer, der graduierte Bangladeschi wùrde in seiner Heimat nur 50 Euro pro Monat verdienen und bekommt hier von seinem Onkel immerhin 800 als Pizzabàcker und Verkàufer. Sein anderer Bruder ist auch schon da. Im Moment denkt er ans Heiraten. „Die Italienerinnen mògen uns nicht“ sagt er.
Deswegen suchen seine beiden anderen grossen Brùder in Bangladesh gerade fùr ihn nach einer Frau und er wird bald fùr 2 Monate nach B gehen um zu heiraten. Er selbst ist noch recht jung, ich wùrde ihn auf 23-26 schàtzen, sein grosser Bruder sieht aus wie 40.
Spàter gehen wir zu seinem besten Freund. Er arbeitet in einer Dònerbude zwei Hàuser weiter und hat auch Studiert. Beide je 4 Jahre an der Uni in Bangladesch. Jetzt sind sie hochqualifizierte Kràfte in der Fùrungselite der Gastronomie in Bologna. Der Freund, beide sind zusammen aus B angereist, arbeitet ùbrigens fùr seinen Onkel. Im Neudeutsch nennt sich das Kettenmigration.
Wir trinken Tschai (Inischer Tee mit Milch und Zucker). Er erklàrt mir begeistert die Qualitàtsunterschiede des Tees. In Indien wachse der beste Tee der Welt. Ob das Schwarztee ist. „Grùner Tee, den trinken nur die Chinesen. Wir trinken nur Schwarztee.“ Die beste Qualitàt ist nàmlich der „baby“ Tee. Die jungen sprossen werden frisch abgebrochen und getrocknet.
Den Alten Tee bekommen dann die Europàer (spass ;)). Er meinte noch, dass der Tee immer als englischer Tee verkauft wùrde, wàchst auf England Erde Tee??? neeee. Alles made in India (Kontinent! nicht das Land.)
Das ist auch interessant, wie er sich als Inder fùhlt und identifiziert. wo doch immer die Erzfeindschaften der auf dem Indischen Kontinent beheimateten Lànder so betont wird.
Zuguterletzt erklàrt er mir das neue politische System Bangladeschs, das ohne Parteien auskomme. Das einzige der Welt sei es. (Stimmt nicht ganz, in Uganda sind alle Parteien verboten, aber das ist jetzt nicht so wichtig.) Es gebe einen starken Mann von grossem Ansehen (als Deutscher kommen da gewisse Assoziationen hoch, aber ich halte lieber mein Mund) der allein regiere. Das hat mit der Korruption der Parteien zu tun und dem Opportunismus der Machtlosen und Machtsuchenden, die nach einem Regierungswechsel in der Vergangenheit sofort in die Regierungspartei wechselten.
Was ich in Bologna noch alles lernen darf, ist noch herauszufinden. Aber das schòne an dieser Stadt ist, dass sie mich immer wieder ùberraschen kann.
In diesem Sinne,
Euer Christoph
das Vorletzte mal… (Italien 18)
2005 BolognaBologna (Teil 18 von 20)
Hallo Leute
Da ich in etwas mehr als zwei Wochen endgùltig zurùckkommen werde, ist das schon fast so was wie ein Abschiedsbrief fùr mein hassgeliebtes Italien. Wie immer sind mir mal wieder einige Details aufgefallen, die ich gerne mit Euch teilen will.
Die Monsunzeit hat in Bologna begonnen, es regnet mal wieder den ganzen Tag. Die Penner auf dem Piazza Verdi packen ihre Fùsse in Plastiktùten und haben schon ein kleines Matratzenlager unter den Portici aufgebaut. Da schlafen sie Tag ein, Tag aus mit ihren Hunden und warten mit Bierflaschen in der Hand sprichwòrtlich auf besseres Wetter. Mittlerweile erkenne ich die Fahrraddealer von weitem, die Drogendealer machen sich stàndig bemerkbar, ob man das will oder nicht. Mit Glucks- oder Schnalzlauten machen sie auf sich und ihre Dienstleistung aufmerksam.
Mir fàllt mal wieder diese Krasse Kòrperbetonung auf, die noch viel Stàrker in der Italienisch-Bologniesischen Kultur verankert ist. Bauchfrei ist auch im Winter Pflicht. Wollstrupfhosen und Mini sind auch keine Seltenheit.
Jeder versucht sich ins rechte Licht zu rùcken und greift dabei auf verschiedene Tricks zurùck. So steht die Gròsse des Ausschnitts proportional zur Anzahl der Pickel im Gesicht in Verbindung, der Gùrtel und besonders der oft mit Brillanten geschmùckte Gùrtelschnalle mòchte von allzu soliden Hùften ablenken. Die Schnalle kann dann schon sehr ùberladen wirken, besonders fùr einen Nordeuropàer wie mich 😉
Wer den kòrperlichen Idealen nicht entspricht, ist von den Modischen Zwàngen nahezu befreit. Das merkt man auch. Es gibt aber auch das andere Extrem. Punks. So ein modisches Mittelfeld ohne auffàllige Accessoires nehme ich kaum war, und wenn, dann sind es Erasmusstudenten. Es verteilt sich alles auf diese beiden Pole. Besonders bei der Jugend. Sind wir spiessiger oder haben wir weniger Mut? Das trifft fùr Mànner und Frauen gleichermassen zu, nur bei den Màdels fàllt es mir mehr auf.
Wenn ich dann nachts vom Zocken heimfahre, sehe ich am Stadtrand die Bordsteinschwalben. Diese haben dann regionale Schwerpunkte oder besser; Themenparks. Die farbigen Damen stehen an der Schnellstrasse von der Autobahn runter und wenn Mann dann Stadteinwàrts fàhrt kommen die Dienstleisterinnen aus Osteuropa. Spàter wird es sùdlicher, dann kann man die einheimischen VertreterInnen der àltesten Zunft der Welt antreffen.
Hier ist die Kòrperbetontheit Berufskleidung, aber bei -3 Grad in Strumpfhosen und Mini… tauschen will ich da echt nicht. Beim Zusehen ist mir auch aufgefallen, das hier stark verhandelt wird. Denn die anhaltenden Autos fahren meistens weiter. Als es noch wàrmer war, und ich mit dem Fahrrad gefahren bin, haben die Màdels mich immer mit „Vieni“ gerufen.
Italien, die Mutter des Papsttums und der Inbegriff der Mamma bzw. der Familie hat erschreckend geringen Nachwuchs. Allerdings weiss ich nicht wie das in Zusammenhang mit dem Kòrperkult steht. Eines weiss ich allerdings:
Tutti-Frutti kam aus Italien und es werden im Fernsehen keine Nippel oder andere Schamgrenzen ùberschritten. Dafùr (hab ich ja schonmal erzàhlt) gibt es (verhùllte) àrsche und Titten im ùberfluss zu sehen.
Der Italiener wohnt auch gerne bis er 30 wird bei Mamma. Das hat mit dem niedrigeren Lohnniveau und den hòheren Lebenserhaltungskosten gerade in den Metropolen zu tun.
Nutzt sich da was ab? Besonders die Allgegenwàrtigkeit von weiblichen Reizen, ob am Strassenrand oder im Fernsehen. In Deutschland vieles versteckter, manches aber offener. Geburtenraten, also die Fertilitàt, sind in D gleichermassen ein Problem.
Da fàllt mir zum Abschluss eine kleine Geschichte auf. In einem kleinen Dorf in Schwaben wurde der Autofrei Sonntag eingefùhrt. 9 Monate spàter stieg die Geburtenrate um 180 Prozent an… Eine Lòsung fùr D?
bis dann
Christoph