Bulgarien 2007 (Teil 1 von 2)

… aber bald wieder da. Ich bin mit der Familie für etwas mehr als zwei Wochen im Urlaub. Zurückkommen werde ich dann am 01.10. Wir sind in Rossis Heimatland, Bulgarien. Ein wahrhaft abenteuerlicher Urlaub hat nun Halbzeit, und ich will Euch an meinen Entdeckungen teilhaben lassen. Bulgarien ist ein kleines Land, etwa von der Größe und der Bevölkerungszahl vergleichbar mit Bayern. Genauso wie Bayern, sprechen die 7,3 Millionen Einwohner eine für mich kaum verständliche Sprache. Dieses Land hat dennoch seine Reize. im Norden liegt Rumänien, im Süden Die Grenze zu Griechenland. Der Letzte europäische Zipfel der Türkei im Südosten. Im Westen ist dann Serbien, das sprachlich sehr eng mit Bulgarien verwand ist. Geschrieben wird hier in Kyrillisch. Vor 800 Jahren brachte der bulgarische Mönch Kyrill diese Schrift aus Griechenland mit. PECTOPAHT. So schreibt sich auf Kyrillisch z.B. Restaurant 🙂 . Dann kommen noch einige Zeichen aus den Griechischen dazu und fertig ist das perfekte Kauderwelsch in dem sich jeder Mitteleuropäer verwirren und verirren wird. Zum Glück habe ich ja einen eingeborenen Führer bei mir.

Zu unserer Reise:

Geplant war eine Woche Schwarzes Meer und dann eine Woche bei der Verwandtschaft in Vraza. In Sofia, Bulgariens Moloch-Hauptstadt ging es bisher bei Nacht und Nebel auf einer niegel-nagel-neuen Autobahn ans Schwarze Meer. Wir wohnten bei Verwandten im kommunistischen Plattenbauviertel „Hoffnung“ – auf so viel Zynismus muss man erst mal kommen. Das zeichnete sich dadurch aus, dass diese Plattenbauten tiefe Blicke in ihren Stahlkern offenbarten. Die Straßenbahn war gleichzeitig Rodeo tauglich und wie sonst überall in Bulgarien, gab es auch hier 24 Stunden bewachte Parkplätze. Gut, die gibt es in Neapel auch. Da der Polizei nicht so viel Vertrauen geschenkt wird, gibt es überall einen privaten Sicherheitsdienst. SOD. Die haben eigene Patrouillen und Sicherheitsdienste. Das Ziel unserer Fahrt war Sinemorets. Das letzte Dorf! Das Letzte Dorf? Nein, eigentlich das vorletzte Dorf vor der türkischen Grenze ganz im Süden der Schwarzmeerküste. Im Reiseführer wurde das Dorf als Geheimtipp genannt. Leere, weiße Strände, paradiesisch ruhig und durch und durch dörflich. Perfekt um mal auszuspannen.

Gut, auch als Autor kann man sich mal irren. Als wir ankamen hatten wir in der Nachsaison die volle Auswahl der 10 oder mehr Hotels, von 2 bis 4 Sternen. Die erste Fahrt durch das Dorf eröffnete den Blick auf das 4 Sterne Luxus Hotel aus dem TUI Katalog, Zahllose Rohbauten gähnten leerstehend vor sich hin und an manchen neuen Hotelprojekten wurde noch gewerkelt. In dem paar hundert Seelendorf gab es auch bestimmt 10 Restaurants, von denen schon einige wieder geschlossen hatten. Dennoch war es sehr ruhig – Nachsaison sei Dank. Im Hotel Sinemorets hatten wir dann ein Großes Apartment mit 2 Zimmern, drei Betten und zwei Balkonen für nur 20 Euro pro Tag. Dafür gab es ab und zu für die ganze Stadt kein Wasser, Unser Bett hatte ein paar Risse und Die Fugen waren nicht alle Dicht. Dennoch hat mich mal wider das Schwarze Meer total umgehauen. Das Wasser Sauber wie Rimini seit 50 Jahren nicht mehr, tolle Wellen, niedriger Salzgehalt – ganz toll. Auch am Preis-Leistungsverhältnis gibt es nichts zu mäkeln.

Die Bulgaren sind auch unglaublich Kinderfreundlich! da kann man ohne Probleme wildfremden Menschen sein Kind in die Hand geben, weil einfach der Zugang zu Kindern ein anderer ist als in Deutschland. Kinder gelten hier immer noch als Segen. Darauf weisen auch immer wieder die Werbungen am Straßenrand hin, die eine Finanzierung einer künstlichen Befruchtung versprechen oder anderer Kindersegen stiftender Technologien. Was man für den Kindersegen alles Opfert…

Zum Verkehr

Der Autoverkehr ist andererseits eine Katastrophe. Die zwei Autobahnen die es gibt werden kaum benutzt, weil es dort zu wenig Nervenkitzel gibt und sind auch noch nicht komplett zu Ende gebaut. Aha! Nervenkitzel. Bulgarien hat derei Arten von Landschaften. Kueste (Schwarzes Meer), Hügel und Berge (Den Einen Balkan). All das weist auf hoch und runter hin. Wer Abenteuer liebt ist hier genau richtig, denn der gemeine Deutsche ueberholt nur weenn er die Strecke überschauen kann. Das ist beim Bulgaren in freier Wildbahn anders. Er überholt bergauf, selbst wenn eine Rechtskurve folgt und schert sich auch nicht, ob es überhaupt Platz zum „Notfalleinfädeln“ gibt. Irgendwer muss schon platz machen, und wenn es der Gegenverkehr ist. Eine Eigenart Bulgariens ist es seinen Toten auf Din A4 Zetteln mit Bild am Hausflur oder in der Nachbarschaft zu betrauern. An der Küstenstraße, die durch besonders Große Schlaglöcher glänzte, machte es kaum Sinn diese Zettel mitzuzählen- zu mühsam wäre es gewesen. Besonders weil in Bulgarien ein ungebremster Kapitalismus herrscht, bei dem Gewinner und Verlierer Tür an Tür leben. Das Äußert sich, dass Cayenne und Q7 Pferdekarren überholen. Die meisten Bulgaren begnügen sich mit den in Europa ausgemusterten Mittelklasse Autos – Eben was der Geldbeutel so hergibt. Die sind für so einen Fahrstil deutlich zu untermotorisiert und durch Überbeanspruchung und Alter sehr Pannenanfällig. Bulgarien investiert spürbar viel in seine Infrastruktur, aber manche Straßen sind immer noch unter aller Sau. in manchen Schlaglöchern könnte man einen Smart verstecken, sogar auf noch relativ neuen Strecken, weshalb man immer sehr konzentriert fahren muss.

von Bettelkatzen und Hundepfannkuchen:

In den Restaurants in Sindemorets gab es sehr viele Bettelkatzen, die miauend einen Teil dem mir hart erarbeiteten Essens abschnorren wollten. Aber in meinem Herz ist nur Platz für eine Katze und so hat keine dieser Fellknäule willentlich etwas abbekommen. Die Vielzahl der frei laufenden Hunde äußert sich am besten in den Hundepfannkuchen, die sich auf den Landstraßen festfahren. Aufgeplatzte Hundekadaver, deren Teilstücke sich über mehrere Meter verteilen sind sehr häufig zu beobachten. Nach einer Weile werden sie dann grau und es bollert auch nicht mehr so wenn man drüber fährt. Wo es immer bollert sind die Pferde. Die laufen nämlich auch immer und grundsätzlich frei herum. Damit die nicht weglaufen, werden einfach die Vorderhufe zusammen gebunden. Es ist schon entwürdigend ein so anmutiges Tier wie ein Pferd rumhoppeln zu sehen wie ein Kaninchen. Die Pferde sind alle Arbeits – und keine Luxustiere wie bei uns Postmaterialisten. Gepflügt und Wagen gezogen wird nach wie vor mit dem Pferd.

Der Unterschied der Fahrweisen sagt auch etwas über unterschiedliche Mentalitäten aus. Dem Bulgaren fehlt oft die Weitsicht. Die Zeit des Kommunismus sei besser gewesen, weil jeder sein gesichertes Einkommen hatte und so das Menschsein im Vordergrund stand, höre ich ab und an. Heute kümmre man sich nur um, sich und sein Auskommen und wurschtle sich so durch. Vor einigen Jahren war ich schon mal in Bulgarien und da war das noch schlimmer. Überall wurde man abgezockt und alles war irgendwie korrupt. das scheint sich nun deutlich gebessert zu haben. Zumindest gibt es nun gleiche Preise für Bulgaren und Ausländer in den Restaurants und die Taxis Zocken einen auch nicht mehr grundsätzlich ab. Service war ein Fremdwort und Egoismus, Rentseeking und Abschöpfung das Kredo der Zeit. Mit einem Widererstarkendem Nationalismus, der hauptsächlich auf dem Rücken der Osmanen\Türken geprägt wird und in der Wahl des Thronfolgers AD. zum Präsidenten gipfelte scheint den Bulgaren einen besseren Halt in einer Wert(e)losen Zeit zu geben.

In Veliko Turnovo, der Hauptstadt wurde dieses Wochenende die Staatsgründung am 22. September gedacht, diese wird auch erst seit sechs Jahren gefeiert.

Grüße

Euer Christoph