Feldforschung (Italien 19)

Bologna (Teil 19 von 20)

Hallo Leute

Heute habe ich die Diaspora der Bangladeschi nach Italien untersucht. Mein Informant ist einer der Pizzaverkàufer in meiner Lieblingspizzaria. Das ist so eine Stehpizzaria, wo es alles frisch und gùnstig gibt. Sehr lecker!

Auf jeden Fall kommt er aus Bangladesch und arbeitet fùr seinen Onkel, dem Besitzer. Er selbst hat in B Sozialwissenschaften studiert und spricht zwar relativ schlecht Englisch, aber immer noch deutlich besser als die meisten Italiener. Selbst die Studierenden und Studierten kònnen zum grossen Teil kein Englisch, oder nur sehr schlecht. Das kommt weniger von den Italienern selbst, sondern von der mangelhaften Ausbildung der Lehrer, die die Sprache selbst kaum kennen und kònnen. Dann zieht es die Italienischen Studenten wenn sie im Ausland studieren eher nach Spanien oder Frankreich, da die Sprachen fùr sie deutlich einfacher zu lernen sind.

Wie auch immer, der graduierte Bangladeschi wùrde in seiner Heimat nur 50 Euro pro Monat verdienen und bekommt hier von seinem Onkel immerhin 800 als Pizzabàcker und Verkàufer. Sein anderer Bruder ist auch schon da. Im Moment denkt er ans Heiraten. „Die Italienerinnen mògen uns nicht“ sagt er.

Deswegen suchen seine beiden anderen grossen Brùder in Bangladesh gerade fùr ihn nach einer Frau und er wird bald fùr 2 Monate nach B gehen um zu heiraten. Er selbst ist noch recht jung, ich wùrde ihn auf 23-26 schàtzen, sein grosser Bruder sieht aus wie 40.

Spàter gehen wir zu seinem besten Freund. Er arbeitet in einer Dònerbude zwei Hàuser weiter und hat auch Studiert. Beide je 4 Jahre an der Uni in Bangladesch. Jetzt sind sie hochqualifizierte Kràfte in der Fùrungselite der Gastronomie in Bologna. Der Freund, beide sind zusammen aus B angereist, arbeitet ùbrigens fùr seinen Onkel. Im Neudeutsch nennt sich das Kettenmigration.

Wir trinken Tschai (Inischer Tee mit Milch und Zucker). Er erklàrt mir begeistert die Qualitàtsunterschiede des Tees. In Indien wachse der beste Tee der Welt. Ob das Schwarztee ist. „Grùner Tee, den trinken nur die Chinesen. Wir trinken nur Schwarztee.“ Die beste Qualitàt ist nàmlich der „baby“ Tee. Die jungen sprossen werden frisch abgebrochen und getrocknet.

Den Alten Tee bekommen dann die Europàer (spass ;)). Er meinte noch, dass der Tee immer als englischer Tee verkauft wùrde, wàchst auf England Erde Tee??? neeee. Alles made in India (Kontinent! nicht das Land.)

Das ist auch interessant, wie er sich als Inder fùhlt und identifiziert. wo doch immer die Erzfeindschaften der auf dem Indischen Kontinent beheimateten Lànder so betont wird.

Zuguterletzt erklàrt er mir das neue politische System Bangladeschs, das ohne Parteien auskomme. Das einzige der Welt sei es. (Stimmt nicht ganz, in Uganda sind alle Parteien verboten, aber das ist jetzt nicht so wichtig.) Es gebe einen starken Mann von grossem Ansehen (als Deutscher kommen da gewisse Assoziationen hoch, aber ich halte lieber mein Mund) der allein regiere. Das hat mit der Korruption der Parteien zu tun und dem Opportunismus der Machtlosen und Machtsuchenden, die nach einem Regierungswechsel in der Vergangenheit sofort in die Regierungspartei wechselten.

Was ich in Bologna noch alles lernen darf, ist noch herauszufinden. Aber das schòne an dieser Stadt ist, dass sie mich immer wieder ùberraschen kann.

In diesem Sinne,

Euer Christoph