Die Finnische Invasion

Turin (Teil 1 von 1)

Hallo Leute

Auf vielfachem Wunsch lasse ich noch mal ein paar Geschichten aus dem fernen Italien auf die Allgemeinheit los. Wenn es diesmal ein wenig länger ist, dann liegt das an zwei Dingen: Es war sehr ereignisreich und ich hatte zwischendurch keine Gelegenheit mal eine Mail abzusetzen. Viele werden sich jetzt fragen, von was will er denn noch erzählen, der ist doch schon seit Weihnachten aus Italien zurück. Jenseits der Alpen, hat FIAT, auch bekannt als Turin beschlossen, die Winterolympiade auszurichten. Und weil einer meiner besten Heidelberger Freunde, ein Sportverrückter Finne ist, sind er, ich und noch zwei Freunde aus Finnland nach Italien zur Olympiade aufgebrochen. Also Heikki, Matti, Ville und ich. Meine erste Idee war mit dem Zug zu reisen. Die Finnen wollten einen Leihwagen. Als ich hörte was das kosten sollte, musste ich erst mal ein paar Minuten nach Luft schnappen.

Dann beschloss ich, ein Auto zu kaufen, um damit nach Italien zu reisen.

Dieses sollte danach wieder verkauft werden. By the Way, braucht jemand einen Golf II Bj. 84? Günstig abzugeben.

Der Plan war folgender, wir wollten die beiden stärksten Vorrundengegner Finnlands im Kampf um das Eishockeygold bei Olympia anschauen: Finnland Tschechisch Republik und gegen Kanada (das Brasilien des Eishockeys). Die Reise sollte uns zuerst nach Bern in der Schweiz führen. Denn dort wohnte ein Freund der Finnen, der in Helsinki ein Praktikum gemacht hatte, und die Jungs dorthin einlud.

Auf dem Weg dorthin diskutierten wir den neuen Namen unseres Golfs. Mein persönlicher Favorit war Concorde. Damit konnte ich mich aus unerfindlichen Gründen nicht durchsetzen. Am Ende einigten wir uns auf Mule (Maultier). Der Name war perfekt, da Maultiere für ihre Störrischkeit bekannt sind. So zickte das Auto besonders bei Steigungen des Öfteren herum und es sollte noch einige Tage dauern, bis wir dem Problem auf die Schliche kommen sollten.

Chris, das ist unser Schweizer Gastgeber, hat uns also an der verabredeten Stelle abgeholt und uns anschließend nach einem Bierchen in einer Dorfdisko dann zu sich nachhause gebracht. Es wunderte uns dann nicht mehr, warum er uns nicht gesagt hatte, wo er wohne, das hätten wir niemals finden können, schon gar nicht bei Nacht. Er wohnte in einem kleinen Weiler 60 Km von Bern in den Bergen in einem kleinen Bauernhof bei seiner Familie. Das war fantastisch. Seine Mutter hat uns am Tag darauf sogar ein echtes Schweizer [Chäzefoondü] (Käsefondue) gemacht, mit u.a. Milch aus eigener Herstellung.

Am zweiten Tag mussten wir dann weiter, da am Abend das Match gegen Tschechien auf dem Plan stand. Ziel war der Campingplatz von Turin. So ein schmutziges Dreckloch wie diesen Campingplatz habe ich noch selten gesehen.

Kein warmes Wasser, Die Duschen in den Plumpsklos und der halbe Rasen unter Wasser. Klopapier gab es auch keines. Willkommen in Italien. Nach einigen Suchen haben wir dann unser Zelt auf einem Trockenen Plätzchen aufgestellt.

Die Sonne strahlte und wir hatten sommerliche 9 Grad. Nach alldem bürokratischem Zeug konnten sich die Finnen in Schale werfen. Heikki hatte sich seinen Bart blau/weiß gefärbt, Matti hatte einen aufblasbaren Gummihammer auf dem Suomi draufstand (das ist finnisch und heißt Finnland) und Matti hatte eine ähnliche Keule. T-Shirts inklusive natürlich. Mir haben sie dann eine kleine Fahne mit Holzgriff in die Hand gedrückt.

Schwer gerüstet suchten wir daraufhin die Eishalle. Dort angekommen, aßen wir in einer chinesischen Pizzeria Pizza (war nicht so toll) und suchten darauf den Eingang. Ich sprach mit der Finnlandflagge in der Hand einen offiziell aussehenden Mann auf Italienisch an. Der sprach irgendein Kauderwelsch, worauf mir meine Finnen sagten, ich könne mit ihm auf Finnisch reden. Da war ich dann komplett verwirrt, bis ich die Fahne in meiner Hand sah. Anstatt nur zu übersetzen, hätten die Ärsche den Kerl auf Finnisch nach dem Weg fragen können.

Apropos Finnisch. Das ist eine witzige Sprache. Cazo (di [im ital.]) Merda heist auf Deutsch (aus dem Finnischen) schau mal das Meer. Auf aus dem Italienischen heißt das ein Schwanz aus Scheiße. Der Hund der Schweizer Familie hieß Bosko. Das ist im Finnischen ein Scheißhaufen. Selbst das internationale Wort Bier heißt dort Olut.

Irgendwie haben wir es in das Stadion geschafft um entsetzt feststellen zu müssen, dass der olympische Biersponsor Budweiser war. It looks like pie and it tastes like poo. Oder – was hat Sex im Kanu und Budweiser gemeinsam? It is both fucking close to water -. 4 Euro wollten diese Schweine für alkoholangereichertes Wasser. Ein Skandal. Witzig war auch, dass Visa ebenfalls ein Sponsor der Spiele sind. Daher kann man Tickets nur mit Visacard oder Bar bezahlen. Und was offizielle Souvenirs kosten will ich gar nicht sagen, da würde euch nur schlecht bei.

Das Spiel war fantastisch. Es war alles dabei, Blut, Schweiß und Prügeleien.

Tore und am Ende ein Sieg für die Finnen. Mit vier zu zwei und einem blutend vom Eis getragenen Jagomir Jagr, dem Starspieler Tschechiens. Alle waren wohl auf und wir legten uns bei knapp zwei Grad ins Zelt, Ville schlief im Auto. Wer jetzt sagt, warum habt ihr nicht in der Jugendherberge übernachtet, den kann ich nur auslachen, das war alles Monate vorher schon ausgebucht.

Auf jeden Fall haben die Finnen das gesamte Turnier Dominiert. Wie heißt es so schön, Offence winns Games, Defence Championships. Die Finnen spielten konsequent kompakt in der Abwehr und haben den Angriff der im gesamten Turnier dominierenden ersten Reihe das Tore schießen überlassen. Mit den ungewöhnlichen Namen Selänne, Koivu und Lechtinnen haben sie zu viel Silber und zu wenig Gold gewonnen. Nachdem sie Kanada in der Vorrunde fertig gemacht haben und die Tschechische Republik zu Schaschlik verarbeitet haben, kamen sie ungeschlagen ins Finale, wo sie in einem Herzschlagfinale den Schweden knapp unterlagen. Die Rivalität mit Schweden ist auch vergleichbar mit der Deutschen mit den Holländern (Wer ist nicht dabei 😉 ).

Der Plan war, nach dem Kanadaspiel nach Bologna zu Philip weiterzureisen.
Dann machte unser Golf wieder Ärger. An einer Ampel verweigerte er uns die Gefolgschaft. Zerschlagen rief ich beim ADAC an. Der schickte uns seinen gelben Engel, der sonntags flügellahm war. Mehr als Abholen war nicht drin.

Aber am nächsten Morgen schon konnten wir die Kiste schon wieder abholen.

Der Unterbrecher war kaputt, das war schon in der Schweiz das Problem und wurde nun endgültig durch Austausch gelöst. Unser Problem war nur, wo wir übernachten sollten. Unser Campingzeug war im Auto. Das war weg. Da haben wir uns bei meinem Onkel einquartiert.

Alle nahmen die Situation mit einer vorbildlichen Gelassenheit. Zumal der Schneefall einsetzte und Norditalien mit einem weisen Teppich überzog. Wir konnten dann im Kinderzimmer übernachten. Die Finnen waren nach dem 2 zu null Desaster für Kanada entsprechend gut gelaunt und schliefen gut.

Tags darauf kamen wir in Bologna an. Doch den Teil erzähle ich Euch ein andermal.