Indien (Teil 6 von 12)
Die Straßen waren frei und unser Ziel nah. In einem anderen Dorf drehen wir für ein anderes Projekt. Wir werden von einem gigantischen Panorama verwöhnt.
Das wahrlich besondere geschieht auf dem Weg zu unserer nächsten Station. Vor uns springt ein Bergleopard aus dem Gebüsch und verschwindet auf der anderen Straßenseite wieder. Unser Taxifahrer erzählt uns nun ständig Horrorgeschichten von Tieren. Gelegentlich holen sich Bären oder Leoparden kleine Kinder, die Leoparden bevorzugen aber normalerweise Hunde, die hier genauso wie Kühe herum streunen und das Essen, was die Menschen ihnen lassen. Beachtlich war, dass nach der Leopardensichtung keine 200 Meter später ein Dorf lag. Mensch und Tier sind in einem so engen Raum kuschelig bei einander aufgehoben. Ich höre Geschichten von beispielsweise einer Frau, die an einem Tag ihre drei Kinder verloren hat. Zwei durch Schlangenbisse, und das dritte wurde von einem Affenrudel erschlagen. Die beste Geschichte war ein Bär, der ein wanderndes Ehepaar überfallen hat. Ihn hat er getötet und sie vergewaltigt. Er sagt sie sei wahr… ich bleibe skeptisch.
Später in der Nacht kommen wir an einen Erdrutsch. Nun weiß ich, warum die Strecke zwei Wochen lang gesperrt war. Die Strecke ist provisorisch geräumt. Als wir hinkommen steckt ein Laster im Geröll fest. Wir sind neugierig und gehen hin. Die Frontscheibe des Lasters ist geborsten. Vier Leute versuchen einen voll beladenen Laster aus seinem Joch zu befreien – Vergeblich. Die Hinterreifen haben sich schon in den Untergrund gegraben.
Plötzlich hören wir von oben ein knirschen. Wir gehen schnell und warnen die Helfer mit Rufen. Ein Regen von kleinen und größeren Brocken ergießt sich von oben. Ein Kopfgroßer Stein fällt auf das Fahrerhaus und ein Funkenregen ergießt sich. Die Dunkelheit der Vollmondnacht wird davon erhellt. Dennoch lassen die Leute nicht davon ab. Die Straßenarbeiter mit ihren zwei Catapillar langen sich nur an den Kopf, wenn sie um Hilfe gebeten werden. Mutig sind sie, bescheuert aber nicht. Sie kampieren direkt neben der Baustelle um gleich bei Sonnenaufgang weiter zu arbeiten. Ungläubig schauen sie zu den Bekloppten hinüber.
An ein weiterkommen ist nicht zu denken und so suchen wir uns ein Hotel. Ich versuche Frank zu überreden, mit mir zu wetten, dass der Laster morgen im Fluss liegt. Er verweigert mir das, denn er ist derselben Meinung. Auf jeden Fall meint er, sei es für einen Hindu wohl der schönste Tod gleich in den Ganges zu fallen, dessen rauschen wir hier in unserem Hotel beim Einschlafen lauschen und nur wenige duzend Meter unterhalb des Erdrutsches sein Ufer hat.
Gute Nacht.