Seit beginn meines Studiums reizte es mich dieses Land mit seiner so fremd erscheinenden Pathina zu besuchen. Dort, in der Alltagswelt von 1,3 Milliarden Menschen, liegt die Exotik™ verborgen. So zumindest erscheint es einem Aussenstehenden. Für die Inder sind wir Bleichgesichter die reine Exotik. Vor allem weil es sowenige von uns gibt und wir eh demnächst aussterben werden…
Indien (Teil 10 von 12)
Ja, manchmal ist es gut in dem Windschatten einer Professorin für Ethnologie zu schweben. Heute Abend war ich auf einem Kulturfestival wo eine große Zahl unterschiedlicher Folkloretänze gezeigt wurden eingeladen. Der Leiter der SAI Außenstelle hat mitbekommen, dass wir hier sind und uns mit eingeladen. Wir hatten VIP Karten und saßen in der ersten Reihe. Ich hätte Euch gerne ein paar Bilder präsentiert, aber da hoher Besuch angekündigt war, war die Ansage kein Taschen oder Kameras mitzubringen. Mit uns saß die Präsidentin des High Court of India, die Gattin des Vizepräsidenten und fast – leider hat sie abgesagt – Sheila Dikshit (ja, die Frau heißt wirklich so!), die Ministerpräsidentin von Delhi. Natürlich hatten alle ihren Kram dabei, nur wir Deutsche waren wieder so blöd und haben uns an die Regeln gehalten.
Gesehen habe ich gigantisches. Von vielen Regionen Indiens haben Gruppen ihre lokalen Tänze aufgeführt. Es kamen aus Tamil Nadu Akrobaten und Trommler, aus einer anderen Region kamen eine Reihe an Tänzerinnen, die einen wunderbaren Tanz herbei zauberten (hier ein sehr gelungener Film von Sarah Ewald, der einen ähnliche Tanz zeigt, und nur 30 Minuten geht: http://www.anthropologyinmotion.net/arbeiten/bharatanatyam ). Am Schluss kommt das große Spektakel Drei Gruppen aus Garwhal kämpfen um einen Preis um die beste Performance. In einem Philosophischen Wettstreit kämpfen sie um viele Hundert Tausende Ruppees. Wobei jede Band, so versichert mir der Sohn des Veranstalters, wenigstens eine Million Ruppees nur zum Antritt bekommen haben. Dieser Wettstreit geht bis vier Uhr morgens.
Der Ort ist märchenhaft. In den Ruinen des Jahaz Mahal, dem ehemaligen Herrscherpalast, bevor die Mogulen kamen, findet die Aufführung statt. Der Veranstalter des „Phool Waalon Ki Sair“ persönlich bedient uns mit Kaffee und Samosa (Kartoffeln in Blätterteig). Die Kulisse ist gigantisch, alles bunt und schrill, wie üblich in Indien.
Ich versuche dieser Großartigen Musiker zu genießen, aber irgend wie schaffen die Tontechniker es nicht, diesem Niveau gerecht zu werden. Die Anlage ist hoffnungslos übersteuert, viel zu laut und ständig wird da Klangerlebnis durch Rückkopplungen getrübt. Am Ende geben wir auf und gehen auf eine Halloweenparty in einen angesagten Club. Der „Living Room“ ist von einem NRI (Non residential Indian) geöffnet worden, der in London aufgewachsen ist. Mit 30 versuchte er sein Glück in Delhi, und so wie es scheint, hat er es gefunden. Der Laden ist total überteuert. Ein Bier kostet 200 Ruppees, das 3, 20 Euro. Eine 20 Minütige Taxifahrt kostet 60. Trotzdem amüsieren wir uns prächtig. Mir wird versichert, dass in Oberschichtskreisen die Preise ziemlich unbezahlbar werden können. So gesehen haben wir es sogar noch gut erwischt.
Ein Franzose legt zeitgenössische Musik auf, wie „West End Girls“ oder „Thriller“. Als wir zurück zum Taxi kommen schläft der Fahrer bereits und bringt uns dann trotzdem heim. Es ist wieder Sanjeev, der gehört schon fast zur Familie. nun angekommen schreibe ich einen kurzen Eintrag, denn alles was ich erlebt habe kann ich erst erfassen, wenn ich wieder Zuhause bin. Was man zurück gelassen hat erfährt man erst, wenn es weg ist. Ich freue mich auf meine Freunde im Abendland, weiß aber dass es noch dauern wird. Irgendwie vermisse ich meine Freunde, egal wie schön es hier ist. Viele Grüße, Christoph.