Bologna gilt als die rote Stadt, besonders ihrer kommunistischen Vergangenheit wegen. Aber sie ist weitaus mehr. Sie ist eines der vielen kulinarischen Zentren Italiens. Ob die allseits geliebte Bolognese, die Mortadella, die Tortellini, all das entspringt der von Türmen gesäumten Stadt. Sie war einst Papstsitz und strotzt vor Kulturdenkmälern, darunter die älteste Universität der westlichen Hemisphäre.

Bologna (Teil 20 von 20)

Hallo Leute

Heute gibt es eine weitere Bombe: Das Sozialsystem in Italien. So mancher wird jetzt sagen: das gibt es doch nicht, und er soll recht behalten. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Nur Saisonarbeiter im Sùden dùrfen sich ùber ùbergangsgeld freuen, wenn sie 150 Tage im Jahr gearbeitet haben.

Armes Deutschland. Mir tun jetzt schon all die Harz4empfànger Leid die von ihrer Stùtze nicht mal in den Urlaub fahren kònnen. 😉

Staatliche Subventionen gibt es nicht. Der Staat hat wenig ausgaben, aber trotzdem nie Geld. Ich frage mich ernsthaft, was die mit der ganzen Kohle machen? Berlusconis Arsch vergolden? Das Autobahnnetz ist Privat. Die Schwimmbàder teuer. Die Museen sind in Erbàrmlichen Zusatand. Die Unis haben praktisch keinen Mittelbau (Assistenzen, Habilitanten…) und kosten auch noch Geld. Wo ist die Kohle? Ich weiss es nicht. Ich denke dass das meiste Geld in Fussballspieler beim AC Milan investiert wird.

Fussball, ja. Das ist neben der Mafia die zweite grosse Gruppierung von Verbrechern in Italien. Das sagt sogar Karl-Heinz Rummenigge, und dem glaube ich eh alles. Berlusconi ist der Besitzer vom AC Milan. Der Pràsident ist aber ein anderer: Adriano Galliani. Der ist aber auch der Pràsident der Liga und handelt als solcher die Vertràge mit den Medienvertretern aus, nàmlich mit seinem Chef Berlusconi, der RAI kontrolliert und nebenbei noch ein Medienimperium mit einigen TV-Sendern, Radiostationen und Nationalen Zeitungen besitzt. Und er ist der Ministerpràsident Italiens. Die einzige Nationale Zeitung die er nicht besitzt gehòrt der Agnelli Familie (Fiat…), und denen gehòrt Juventus Turin. Und die Besitzer vom AC Florenz, die Gebrùder Chicogorio (oder so) sind auch dick im Fernsehen dabei.

Da werden auch mal unerwùnschte Aufsteiger, gerade Vereine aus dem Sùden konsequent leergekauft oder anderweitig schikaniert. Der Jugendtrainer des AC Lecce zum Beispiel hat schon 6 Titel geholt. Er darf aber keinen A-Schein machen, weil erstmal die Gùnstlinge der grossen Vereine bedient werden und die Interessen der kleinen werden konsequent missachtet.

Die Italienesche Presse schaut mit Hochachtung auf die Deutschen Fussball, nicht weil es Korruption gibt, sondern weil sie Sie aufdecken, ohne Rùcksicht auf Verluste.

In diesem Sinne,

Euer Christoph

 

Bologna (Teil 19 von 20)

Hallo Leute

Heute habe ich die Diaspora der Bangladeschi nach Italien untersucht. Mein Informant ist einer der Pizzaverkàufer in meiner Lieblingspizzaria. Das ist so eine Stehpizzaria, wo es alles frisch und gùnstig gibt. Sehr lecker!

Auf jeden Fall kommt er aus Bangladesch und arbeitet fùr seinen Onkel, dem Besitzer. Er selbst hat in B Sozialwissenschaften studiert und spricht zwar relativ schlecht Englisch, aber immer noch deutlich besser als die meisten Italiener. Selbst die Studierenden und Studierten kònnen zum grossen Teil kein Englisch, oder nur sehr schlecht. Das kommt weniger von den Italienern selbst, sondern von der mangelhaften Ausbildung der Lehrer, die die Sprache selbst kaum kennen und kònnen. Dann zieht es die Italienischen Studenten wenn sie im Ausland studieren eher nach Spanien oder Frankreich, da die Sprachen fùr sie deutlich einfacher zu lernen sind.

Wie auch immer, der graduierte Bangladeschi wùrde in seiner Heimat nur 50 Euro pro Monat verdienen und bekommt hier von seinem Onkel immerhin 800 als Pizzabàcker und Verkàufer. Sein anderer Bruder ist auch schon da. Im Moment denkt er ans Heiraten. „Die Italienerinnen mògen uns nicht“ sagt er.

Deswegen suchen seine beiden anderen grossen Brùder in Bangladesh gerade fùr ihn nach einer Frau und er wird bald fùr 2 Monate nach B gehen um zu heiraten. Er selbst ist noch recht jung, ich wùrde ihn auf 23-26 schàtzen, sein grosser Bruder sieht aus wie 40.

Spàter gehen wir zu seinem besten Freund. Er arbeitet in einer Dònerbude zwei Hàuser weiter und hat auch Studiert. Beide je 4 Jahre an der Uni in Bangladesch. Jetzt sind sie hochqualifizierte Kràfte in der Fùrungselite der Gastronomie in Bologna. Der Freund, beide sind zusammen aus B angereist, arbeitet ùbrigens fùr seinen Onkel. Im Neudeutsch nennt sich das Kettenmigration.

Wir trinken Tschai (Inischer Tee mit Milch und Zucker). Er erklàrt mir begeistert die Qualitàtsunterschiede des Tees. In Indien wachse der beste Tee der Welt. Ob das Schwarztee ist. „Grùner Tee, den trinken nur die Chinesen. Wir trinken nur Schwarztee.“ Die beste Qualitàt ist nàmlich der „baby“ Tee. Die jungen sprossen werden frisch abgebrochen und getrocknet.

Den Alten Tee bekommen dann die Europàer (spass ;)). Er meinte noch, dass der Tee immer als englischer Tee verkauft wùrde, wàchst auf England Erde Tee??? neeee. Alles made in India (Kontinent! nicht das Land.)

Das ist auch interessant, wie er sich als Inder fùhlt und identifiziert. wo doch immer die Erzfeindschaften der auf dem Indischen Kontinent beheimateten Lànder so betont wird.

Zuguterletzt erklàrt er mir das neue politische System Bangladeschs, das ohne Parteien auskomme. Das einzige der Welt sei es. (Stimmt nicht ganz, in Uganda sind alle Parteien verboten, aber das ist jetzt nicht so wichtig.) Es gebe einen starken Mann von grossem Ansehen (als Deutscher kommen da gewisse Assoziationen hoch, aber ich halte lieber mein Mund) der allein regiere. Das hat mit der Korruption der Parteien zu tun und dem Opportunismus der Machtlosen und Machtsuchenden, die nach einem Regierungswechsel in der Vergangenheit sofort in die Regierungspartei wechselten.

Was ich in Bologna noch alles lernen darf, ist noch herauszufinden. Aber das schòne an dieser Stadt ist, dass sie mich immer wieder ùberraschen kann.

In diesem Sinne,

Euer Christoph

 

Bologna (Teil 18 von 20)

Hallo Leute

Da ich in etwas mehr als zwei Wochen endgùltig zurùckkommen werde, ist das schon fast so was wie ein Abschiedsbrief fùr mein hassgeliebtes Italien. Wie immer sind mir mal wieder einige Details aufgefallen, die ich gerne mit Euch teilen will.

Die Monsunzeit hat in Bologna begonnen, es regnet mal wieder den ganzen Tag. Die Penner auf dem Piazza Verdi packen ihre Fùsse in Plastiktùten und haben schon ein kleines Matratzenlager unter den Portici aufgebaut. Da schlafen sie Tag ein, Tag aus mit ihren Hunden und warten mit Bierflaschen in der Hand sprichwòrtlich auf besseres Wetter. Mittlerweile erkenne ich die Fahrraddealer von weitem, die Drogendealer machen sich stàndig bemerkbar, ob man das will oder nicht. Mit Glucks- oder Schnalzlauten machen sie auf sich und ihre Dienstleistung aufmerksam.

Mir fàllt mal wieder diese Krasse Kòrperbetonung auf, die noch viel Stàrker in der Italienisch-Bologniesischen Kultur verankert ist. Bauchfrei ist auch im Winter Pflicht. Wollstrupfhosen und Mini sind auch keine Seltenheit.

Jeder versucht sich ins rechte Licht zu rùcken und greift dabei auf verschiedene Tricks zurùck. So steht die Gròsse des Ausschnitts proportional zur Anzahl der Pickel im Gesicht in Verbindung, der Gùrtel und besonders der oft mit Brillanten geschmùckte Gùrtelschnalle mòchte von allzu soliden Hùften ablenken. Die Schnalle kann dann schon sehr ùberladen wirken, besonders fùr einen Nordeuropàer wie mich 😉

Wer den kòrperlichen Idealen nicht entspricht, ist von den Modischen Zwàngen nahezu befreit. Das merkt man auch. Es gibt aber auch das andere Extrem. Punks. So ein modisches Mittelfeld ohne auffàllige Accessoires nehme ich kaum war, und wenn, dann sind es Erasmusstudenten. Es verteilt sich alles auf diese beiden Pole. Besonders bei der Jugend. Sind wir spiessiger oder haben wir weniger Mut? Das trifft fùr Mànner und Frauen gleichermassen zu, nur bei den Màdels fàllt es mir mehr auf.

Wenn ich dann nachts vom Zocken heimfahre, sehe ich am Stadtrand die Bordsteinschwalben. Diese haben dann regionale Schwerpunkte oder besser; Themenparks. Die farbigen Damen stehen an der Schnellstrasse von der Autobahn runter und wenn Mann dann Stadteinwàrts fàhrt kommen die Dienstleisterinnen aus Osteuropa. Spàter wird es sùdlicher, dann kann man die einheimischen VertreterInnen der àltesten Zunft der Welt antreffen.

Hier ist die Kòrperbetontheit Berufskleidung, aber bei -3 Grad in Strumpfhosen und Mini… tauschen will ich da echt nicht. Beim Zusehen ist mir auch aufgefallen, das hier stark verhandelt wird. Denn die anhaltenden Autos fahren meistens weiter. Als es noch wàrmer war, und ich mit dem Fahrrad gefahren bin, haben die Màdels mich immer mit „Vieni“ gerufen.

Italien, die Mutter des Papsttums und der Inbegriff der Mamma bzw. der Familie hat erschreckend geringen Nachwuchs. Allerdings weiss ich nicht wie das in Zusammenhang mit dem Kòrperkult steht. Eines weiss ich allerdings:

Tutti-Frutti kam aus Italien und es werden im Fernsehen keine Nippel oder andere Schamgrenzen ùberschritten. Dafùr (hab ich ja schonmal erzàhlt) gibt es (verhùllte) àrsche und Titten im ùberfluss zu sehen.

Der Italiener wohnt auch gerne bis er 30 wird bei Mamma. Das hat mit dem niedrigeren Lohnniveau und den hòheren Lebenserhaltungskosten gerade in den Metropolen zu tun.

Nutzt sich da was ab? Besonders die Allgegenwàrtigkeit von weiblichen Reizen, ob am Strassenrand oder im Fernsehen. In Deutschland vieles versteckter, manches aber offener. Geburtenraten, also die Fertilitàt, sind in D gleichermassen ein Problem.

Da fàllt mir zum Abschluss eine kleine Geschichte auf. In einem kleinen Dorf in Schwaben wurde der Autofrei Sonntag eingefùhrt. 9 Monate spàter stieg die Geburtenrate um 180 Prozent an… Eine Lòsung fùr D?

bis dann

Christoph

Bologna (Teil 17 von 20)

Hallo Leute

Nach fast vier Monaten Italien gibt es immer noch Details die mich echt umhauen. Zum Beispiel habe ich erfahren, dass es auf dem Piazza Verdi unter anderem deswegen so viel Gesox gibt, weil der Staat aus Geldnot alle Sozialstationen dicht gemacht hat. Deswegen hàngen sie seit etwa einem Jahr auf diesem Platz herum. Eine weitere Quelle dieser Heruntergekommenen Gestalten ist die Schliessung der Irrenanstalten in ganz Italien. Fùr mich erklàrt das vieles. Vor allem weiss ich jetzt, wer die ganzen Brillen kauft ;).

Das mit dem Gesundheitssystem ist eh so eine Sache. Andrea, ein Italiener mit dem ich immer Volleyball spiele, hat seit 3 Wochen ein Rùckenleiden und verspùhrt Schmerzen wenn er einatmet und kann eben nicht mehr spielen. Was der Arzt denn ihm gesagt hat will ich von ihm wissen. Oh, er gehe erst in zwei Wochen zum Arzt. Weil wenn er zu einem Arzt in einer Stadt geht, in der er nicht gemeldet ist, dann muss er die Behandlung selbst bezahlen. und das kostet ihn als Student mindestens 60 Euro, die er natùrlich nicht hat.

Deswegen wartet er lieber 2 Monate, um dann in den Semesterferien daheim zum Arzt zu gehen. Super Sache das.

bis in zwei Wochen, dann komme ich nàmlich endgùltig nach D zurùck

Vielen Dank noch an die vielen Umzugshelfer! Ihr wart spitze!

Christoph

 

Bologna (Teil 16 von 20)

Hallo Leute

In Bologna war dieses Wochenende echt die Hòlle los. Es gab nàmlich das Schokoladenfest. Da gab es àhnlich wie bei einer Messe hunderte einzelner Stànde die ihre Waren anboten, und die meissten haben dann noch kleine Leckerlies verteilt. Da war echt die Hòlle los. Mancherorts wurden die Schokoladentafeln, Schokocremes, Torrone, Schokoladenschnaps mit Peperoni verfeinert… und und und fòrmlich den Hàndlern aus den Hànden gerissen.

Es gibt in Italien auch noch andere Schokoladenfeste. In Perugia soll es eine Menschengrosse Schokostatue gegeben haben.

Ein echtes Schnorrerparadies also!

Spàter haben wir uns noch im Irish Pub getroffen. Ein kleiner dicklicher Italiener wollte zur Bar, genau da wo wir schon sassen. Ich fragte ihn, was er wolle und bestellte fùr ihn. Ob wir Deutsche sein – Ja – Er Grinst und sagt Heil Hitler und macht einen astreinen Fùhrergruss. Mit dem Rùcken meiner Hand mache ich ihm deutlich, dass er sich jetzt entfernen darf. Als er bemerkt, dass ausser ihm keiner das witzig findet, zeigt er seine moralische Flexibilitàt und fàngt an etwas ùber den Chè oder Mussolini zu faseln. Ich habe das Bild aus den 90ern im Kopf, bei dem ein Deutscher in Leipzig (irgendwo im Osten) glaube ich, in Turnhosen und einem Trikot der dt. Nationalelf einen Fùhrergruss mimt, eine Bierdose in der anderen Hand und einen ùbergrossen Urinfleck im Schrittbereich.

Das mit der Aufarbeitung der Vergangenheit scheint in Italien nicht allzu ernst genommen zu werden. Warum auch.

Christoph

Bologna (Teil 15 von 20)

Hallo Leute

Samstag in der Stadt, das ist wie Kino, nur kostenlos. Ich gehe durch die Stadt und sehe links und rechts der Strasse eine ganze Menge schwarzer Strassenhàndler, die dir Sachen andrehen wollen, die keiner haben will.

Besonders dass fast alle Handtaschen anbieten macht mich stutzig. Angebot und nachfrage… Wenn zwanzig Hàndler in ein- und derselben Strasse die allergleichen Waren anbieten, verkaufen die dann auch was? Nur einer bietet Afrikanische Masken und Holzgiraffen an. Dafùr steht er 50 Meter weiter und redet mit einem der Handtaschenverkàufer.

Bei den Schwarzen Strassenhàndlern gibt es zwei Sorten: Die Penetranten und die Stationàren. Die Stationàren kennt ihr schon, die Penetranten sind in zwei Unterkategorien zu trennen. Den charismatischen, und den wirklich penetranten. Die charismatischen kommen làchelnd auf einen zu und erklàren dir erstmal, dass du sein allerbester Freund bist und wir uns seit Jahren kennen. Dann zeigt er mir ein paar Socken oder anderen Ramsch wie Feuerzeuge oder Bùcher, alles eben. Preise gibt es kein, was du denn zahlen willst.

Irgendwie scheinen sie doch Gewinn zu machen.

Die wirklich Penetranten kònnen nur Franzòsische, was fast alle Italiener hassen (Franzòsisch natùrlich) und halten dir stumm die Waren hin und das in wirklich penetranter Beharrlichkeit.

In einer anderen Strasse stehen zwei Strassenmusiker. der eine steht wie Mambokurt hinter seinem Mofa, das mit zwei Boxen ausgestattet ist und spielt Mundhamonika. Dazu làuft „Girl from Ipanema (oder so)“ in der Instrumentalversion und er begleitet grauenhaft. Der andere spielt nur unwesentlich besser, allerdings mit seinem Saxophon. Die Begleitmusik kannte ich nicht.

Dann gibt es noch die Strassen Rumänen und andere Bettler. Einen finde ich besonders klasse, der betet nàmlich fùr jeden, der ihm etwas gibt. Das ist wie moderner Ablasshandel, nur ehrlicher. Er tut nàmlich etwas fùr sein Geld.

Andere knien den ganzen Tag und halten ihre Nase nahe der Verschissenen Gehsteige (was fùr mich schlimmer ist als das Knien… das ist aber im wahrsten Sinne des Wortes Geschmacksache). Dann gibt es noch die Pennerzeitungsverkàufer, die etwas privilegierter als die jàmmerlich aussehenden Rumänen sind. Sie kònnen nàmlich Italienisch.

Ich habe jetzt ein neues Rad. Es hat 18 Gànge und sieht echt gut aus. Im Moment mahle ich es um, damit es niemand wieder ekennen kann. Der Hehler war ein schmieriger italieneischer Mitdreissiger. Jogginghose und Jacke und garnichtmal blòd. Ich versuchte ihn runterzuhandeln, aber er wollte von seinen 20 Euro nicht runter. Das Rad ist aber echt klasse. Deswegen habe ich es dann doch gekauft. Ich war mit einem Freund da, er hatte aber nur ein Rad. Remi sagte, dass er um fùnf an der Via Marsalla sei, ob er das Schaffen kònnte. Ja kein Thema. Bis dahin finde ich eins.

Er erklàrte mir noch, welche Schlòsser nicht zu knacken seien, als ich ihm sagte, so ein Rad wùrde mir sofort geklaut werden. Die Alufelgen hatten auch Schnellspanner, da muss ich nàchste Woche das Rad schon tragen!half alles nichts. Ich schicke es glaube ich bald per Post nach Hause. Fùr Bologna ist mir das echt zu Schade.

Es regnet mal wieder. Das finde ich scheisse.

Christoph

 

Bologna (Teil 14 von 20)

Hallo Leute,

Ich war ja jetzt ein paar Tage in D. Wie ich da hingekommen bin? Mit dem Nachtexpress der deutschen Bahn. Der Zug geht von Milano ùber Karlsruhe nach Mannheim und dann noch weiter nach Dortmund.

Aber wie komme ich nach Mailand. Mit dem Zug auf dem Ausdruck der Deutschen Bahn hàtte ich nur 25 Minuten Aufenthalt in Mailand. Meine Erfahrungen mit der italienischen Bahn lehrten mich bei Anschlùssen besonders sensibel zu sein. 25 Minuten, das ist in italienischer Zeitrechnung vergleichbar mit 3 Minuten in der Deutschen. Daher beschloss ich, einen Zug frùher zu nehmen.

Der war auch billiger. Als ich dann aber am Bahnsteig stand, traute ich meinen Augen nicht. Der Zug war frùher abgefahren. Ihr glaubt mir nicht.

Stimmt. Er hatte tatsàchlich zwei Stunden Verspàtung. Also musste ich doch den anderen Zug nehmen, der aber auch schon 15 Minuten zu spàt war.

Ich setzte mich in den Ruheraum, wo vor 20 Jahren eine Bombe explodierte.

Irgendwie haben alle grossen europàschen Lànder Erfahrungen mit Terror. Nur die im Kern sozialistischen nicht, also die Skandinavischen Lànder (die konsequent umverteilen). Spanien (Basken/Jyhadterrorismus), Frankreich (Algerien/Marokko), England (IRA/Jyhadterrorismus) Italien (Anarchisten) und Deutschland (RAF). Warum der Rest verschont blieb, keine Ahnung. Nur war witzig, dass Schily die Einfùhrung biometrischer Daten im Pass damit begrùndete, dass Spanien den Fingerabdruck auch seit den 30. Jahren im Pass habe. Spanien war damals eine Diktatur! Damit wir auch in Zukunft genauso wenig Terroranschlàge in D haben, wie die Spanier mit Fingerabdruck…

Die Bombe wurde von Rechtsextremen Anarchisten gezùndet und es starben sehr viele Menschen an diesem Ort. In der 1 m dicken Wand ist ein Spalt, der unten einen halben Meter breit ist, und bis oben unter der Decke geht und dort ùber ein Meter breit ist. Er ist mit einer Glasscheibe geschlossen worden. Als Gedenkstàtte. Auf dem Boden ist im Beton eine Delle, die bestimmt 10-15 cm tief in den Boden reingeht. An der Wand hàngt eine Marmortafel, auf der die Namen der Opfer und deren Alter vermerkt sind. Es waren viele Kinder unter den Opfern.

Auf jeden Fall kam dann nach langem Warten der zweite Zug und mit 15 min Verspàtung ging es nach Mailand. Der TGV (franz. Hochgeschwindigkeitszug) konnte seinem Namen nicht gerecht werden, denn in Mailand kamen wir mit 32 min Verspàtung an. Doch der Nahtexpress wartete geduldig auf uns und sollte seine 20 min. Verspàtung bis nach D bringen.

Nachtzùge sind ein Phànomen! In miefenden, abgedunkelten Abteilen wàlzen sich Schlàfrige auf ungemùtlichen Sesseln. Es gibt auch noch liegeplàtze, die kann sich aber kein sterblicher leisten. Zumindest regulàr. Unbedingtes Muss sind Ohrenstòpsel! Ohne ist man dem Schnarch Rhythmus der Mitreisenden gnadenlos ausgeliefert. Das ist schlimmer als R&B oder Alanis Morisette!

Morgens um 6 stand ich dann auf dem Bahnsteig in Mannheim, wo ich das erste mal seit Monaten in ein Kòrnerbròtchen zu beissen das Vergnùgen hatte. In Italien gibt es nur Ziehharmonika Brot. Ich nenne es so, da man ein Brot von 40cm Lànge mit wenig Druck auf 20cm verkleinern kann. Nàhrwert ist keiner vorhanden.

Am Bahngleis an der Schweizergrenze wird ein Junger Mann in Handschellen abgefùhrt. Ich entdecke wenig spàter ein leeres Abteil, der Schlaf ruft.

Endlich. Ich werde diese Nacht nur 1-2 Stunden geschlafen haben.

Ich verbringe ein paar sehr Schòne Tage in Heidelberg und Karlsruhe und fahre dann wenige Tage spàter nach Italien zurùck. Dieses Mal im Liegewagen.

Da werden sechs Personen in ein kleines Abteil hineingequetscht und schlafen Sardienàhnlich aufgereiht. Nur das òl fehlt. An der Tùr gibt es ein Vorhàngeschloss, um Eindringlinge auszuschließen. Das Gepàck wird unter die Betten gequetscht und es herrscht chronisch Platzmangel. Jeder Wagon hat einen eigenen Schaffner. Dieser sammelt die Ausweise ein, sodass jeder wàrend der Grenzkontrolle weiterschlummern kann, wàhrend der Sitzplatzreisende wùst aus seinen Tràumen gerissen wird.

Dann bin ich in Italien. Woran ich das erkenne? Mein Anschlusszug hat 30 min. Verspàtung.

In diesem Sinne

Christoph

 

Bologna (Teil 13 von 20)

Hallo Leute

Ich komme gerade aus dem Archoginasio. Das ist die alte Universitàt. Aber es ist nicht irgendeine, nein. Es ist die àlteste Uni des Okzidents. Heute ist es noch eine òffentliche Bibliothek und Ausstellungsraum. Doch lagern darin Schàtze… Bùcher die mehrere hundert Jahre alt sind in genauso alten Schrànken. Auf mehreren Etagen sind die Bùcher in Schrànken geordnet, die wie der Raum 5-6 Meter hoch sind. Es stehen Rolleitern mit Podest am Ende, so dass der Nutzer auch ungestòrt im dritten Stock nach Bùchern Ausschau halten kann.

Der Rundgang des Innenhof ist mit Fresken bemalt. Meist sind es Wappen und/oder Stammbàume. Da Bologna ein Knotenpunkt des Italienischen Zugverkehrs war, war der Zerstòrrungsgrad Bolognas recht hoch. Das Archoginasio hat es auch erwischt. Daher sind einige weisse Flàchen an den Decken zu sehen. Viel konnte rekonstruiert werden. Zum Beispiel das Anatomitheatro. Ein komplett mit Holz vertàfelter Raum in dessen Mitte ein Marmortisch steht. Hier wurden in der Vergangenheit Tiere und Menschen Seziert und auf den stufenweise angeordneten Banken konnten die ersten Medizinstudenten Europas das Innere des Menschen begutachten. Zwei nackte Menschenfiguren, die nicht mal ihre Haut tragen, also nur aus Muskeln und Knochen bestehen, tragen ein Holzpodium, das eine Statue des (vermutlich) Stifters tràgt.

Mittlerweile weiss ich auch mehr ùber die Kathedrale. Sie sollte unter dem damals in Bologna residierenden Papst zur gròssten Kathedrale der Welt werden. Als der Papst starb, ùbernam Rom wieder das Kommando und es war kein Geld mehr da. Deswegen gibt es keine Kirchenschiffe und keinen Kreuzgang. Da wo sie sein sollten, stehen sichtlich improvisierte Mauern, und deswegen ist die Kathedrale nur die 5. gròsste der Welt….

Die Portici sind auch nicht aus nàchstenliebe gebaut worden. (Portici sind die ùberdachten Gehwege) Es war eher so, dass der Wohnraum innerhalb der Stadtmauern immer enger wurde. Da die Renaissance in Italien durch Kriege der Stàdte untereinander gepràgt war, trieb dies viele Menschen in die Stadt hinein. Viele Hausbesitzer vergròsserten die Grundflàche ihrer Hàuser. Da es aber keinen Platz fùr Karren und Menschen gab, wurden die Portici als Kompromiss eingefùhrt, um Wohnraum zu schaffen und Platz fùr die Strasse zu lassen.

Seit heute ist die Fakultàt auch nicht mehr besetzt. Die Besetzer haben sich nach Rom abgesetzt, um dort gegen Bildungsvorhaben zu Protestieren. Ich muss mich wieder an das „morgens-Aufstehen“ gewòhnen.

Anfang der Woche war ein Workshop ùber die Probleme Afrikas in und mit der Vergangenheit, und natùrlich auch der Zukunft. „Je unsteter die Zukunft Afrikas ist, je heftiger wird die Vergangenheit diskutiert.“ Professoren halten Monologe, die sie an Texten orientieren, die sie selbst geschrieben haben. Weisse sind deutlich ùberrepresentiert. Nur ein Kongolesischer Historiker ist einer von acht hochausgezeichneten Professoren. Sein Beitrag ist mit Abstand der interessanteste, da er neue Blickwinkel eròffnet. Fùr ihn ist Ausschwitz, Nagasaki und der Kolonialismus in Afrika und anderen Regionen eine stringente Entwicklung des westlichen Menschen. Seine Argumentation ist so: Der Westen (der weisse Mensch) hat erstmals die Ideologie des Rassismus ausgelebt und ideologisch untermauert, indem er Schlachten gewinnt und mehr Wissen vorweisen kann. Dieser Rassismus àussert sich in Konzentrations- und Arbeitslager der Brieten in Indien und Afrika, Genoziden etc.. Der Schwarze ist nicht nur „nicht weiss“, er ist nicht mal ein Mensch. Die Rassenideologie Nazideutschlands ist der nàchste Schritt.

Hier wird der/das „andere“ systematisch vernichtet. Der zweimalige US-Amerikanische Atombombenabwurf ist ein symbolischer Akt gegen Deutschland. Er soll diesem die ùberlegenheit demonstrieren, dass die USA sogar das tòten besser kònne.

Alex (Freund von mir & Geschichtsstudent) hat mir mal ausfùhrlich die Ungerechtfertigkeit der Bombenabwùrfe erklàrt, und dass sich die USA in den spàteren Verhandlungen mit Japan eher diktatorisch als demokratisch verhalten haben. Natùrlich ist die These krass. Ich gebe sie erstmal nur wieder. Wer Interesse hat, ich hab seinen Text als Kopie. Gelesen hab ich ihn noch nicht.

Der Kongo wurde im ùbrigen von den Afrikanischen Staaten von Belgien am skrupellosesten geplùndert. Sogar nach deren unabhàngigkeit unterstùtzten sie in harmonischer Zusammenarbeit mit dem Entwicklungshilfeunternehmen CIA einen sympathischen Jungen Armeegeneral, sein Name war Mobutu, den demokratisch gewàhlten Premierminister Lumumba erst zu foltern und dann zu erschiessen. Seine Leiche ist bis heute nicht gefunden. Die Demokratische

(???) Republik Kongo hat einen Grossteil seines Landes unter fremder Besetzung der Armeen der Nachbarlànder, die dort fleissig Mineralien fòrdern und auf dem Weltmarkt verscheuern. Es hat sich nichts geàndert. Ein Belgischer Offizier hat 63 beim Abzug gesagt: Sollen die sich doch dir Kòpfe einschlagen. Er sollte Recht behalten. Nur woher haben sie die Waffen dafùr?

Das Geld? Wir (der Westen) schùtten Kerosin ins Feuer um es zu Lòschen…

Das war es auch schon wieder von mir

Schalten Sie auch nàchste Woche wieder ein, wenn es heisst „wissenswertes und Interessantes (hallo Fabi 😉 )“ mit

Christoph

Bologna (Teil 12 von 20)

Hallo Leute,

Ganz Italien ist besetzt. ùberall im Land werden Fakultàten Besetzt oder deren Besetzung ist in Planung. Im Foyer hàngt eine Karte mit den besetzten Unis. Ein paar Witzbolde haben angefangen auf die Karte ihre Heimatstàdte aufzumalen. Karlsruhe steht jetzt auch drauf.

Die Besetzer sind sehr aktiv. Sie haben in der besetzten Uni Workshops eingerichtet, in denen die neuen Gesetzestexte genau besprochen werden.

Ausserdem gibt es Organisations- und Aktionskomitees. Alles freiwillig und gut besucht. Mein Tandempartner hat mir das so erklàrt: „In Italien ist ein Protest eine soziale Angelegenheit. Man trifft sich und Unterhàlt sich darùber.“ In diesem Fall war es so, dass es einen Filmabend gab mit Filmen von Stanley Kubrik, dann noch Good Bye Lenin und ein paar andere deutsche Filme. Danach kam ein Reggae DJ aus Lecce. Die Anlage war hoffnungslos ùbersteuert und der DJ hat die ganze Zeit irgendwelche Parolen ins Micro gebrùllt oder selbst mitgesungen. Ich musste mich beherrschen, ihm nicht sein Micro ins Maul oder in irgendeine andere Kòrperòffnung zu rammen. Es gibt auf jeden Fall italienischsprachigen Reggae mit Titeln wie „Warum hab ich dieses Schwein gewàhlt“. Es wird Bier und Essen zu fairen Preisen verkauft. Um eins ist das Bier aber schon alle. Am Sandwichautomat, in dem es nur Wurstsandwiches gibt, hàngt ein Zettel. Vielen Dank an den befùller, dass er auf die Vegetarier so viel Rùcksicht nimmt.

Ach ja, warum Protestieren die ùberhaupt. Das war mir lange unklar. Zum einen gibt es am 26.10 im Parlament ein Referendum zur Reform der Universitàten, die kein Student haben will. Die Studenten sind sauer. Auch weil es fùr Studenten in Bologna von Seiten der Stadt keine Vergùnstigungen gibt. Eintritt und Buss kosten fùr alle gleich. Monatskarte: 22 Euro. Ein Plakat besagt, dass Studenten die Hàndler und Vermieter Bolognas tàglich!

mit 1.600.000 Euro beglùcken, aber die Stadt nichts fùr die eh schon schwer schuftenden Studenten macht. Die Zimmer hier sind wahnsinnig teuer. Einzelzimmer kosten in der Regel 340-450 Euro, je nach Lage. Doppelzimmer 220 bis 300.

Zusàtzlich kostet Unisport Geld, der Eintritt ins Schwimmbad liegt bei 7 Euro. Reduziert nur fùr Kinder unter 13. Ich hatte mir eine Badekappe gekauft (Pflicht in Italien), benutzen werde ich sie wohl nie.

Wie auch immer, die Studenten fordern bessere Studienbedingungen, da die Unis auch Geld kosten. Sogar die Juristische Fakultàt ist besetzt, was sogar die Italiener erstaunt. Die Juristen sind der Inbegriff des Konservatismus, die Heidelberger wissen was ich meine. Gell Burschies ;).

Am Ende haben wir in D es nicht ganz so schlimm wie die italienischen Studenten hier. Und Eigentlich profitieren wir Politikwissenschaftler von der Schliessung der VWL. Wir haben die ganze Bergheimer Klinik fùr uns!!!

Und ihre Bibliothek bekommen wir auch geschenkt, wenn uns Hommelhof da nicht einen Strich durch die Rechnung macht?!?

Mein Fahrrad ist geklaut worden und ich vermisse meine Fùllerkappe schmerzlich.

Dann bis die Tage

Christoph

 

Bologna (Teil 11 von 20)

Hallo Leute

Seit heute Morgen 10.30 ist die Fakultàt der politischen Wissenschaften besetzt. Genauer: es wird zurùckgeschossen, Lehrbetrieb ist unmòglich.

Nachdem die ersten Besetzer noch Argumentativ von strebsamen Studenten und dem Prof verscheucht werden konten, kamen sie dann mit Megafon und Sirenengeheul. Der Prof kapitulierte umgehend und bedingugslos und ging nach Hause.

Protestiert wird gegen die Sparmassnamen der Regierung und die Umstellungen bei den Studiengàngen. Hiermit folgen die Politikwissenschaftler dem Beispiel der philosophischen Fakultàt, die seit einer Woche studentisch besetzt ist. Das merkt man daran, das ùber dem Eingang ein weisses Bannder hàngt, graublauer Qualm herausquillt und Hunde mit ihren Rastafaris im Eingang rotten. Abends gibt es dort Party bis in die Morgenstunden, die Wànde sind mit politischen Parolen grossflàchig bemalt. Bongos dròhnen aus Hòrsaal c, wàrend im Hòrsaal e eine Podiumsdiskussion làuf. Es gibt ein Kino in einer Aula, Willi Wonkas Schokoladenfabrik làuft. Im Foyer hàngt ein Zettel mit der Bitte, nichts kaputt zu machen und die Wànde nicht zu beschmieren.

Ich suche nach Rudi Dutschke, doch der Protest scheint dezentral organisiert zu sein. Mein oberflàchlicher Eindruck ist, dass eigentlich keiner damit rechnet, die korrupte Ignoranz der Politik durchbrechen zu kònnen, aber aus Prinzip – und mit viel Spass – keinesfalls die Segel ohne Kampf zu streichen.

Ich erkenne, dass Proteste in der Vergangenheit immer ein Spiegel der gesellschaft sind. In D lungern eine Bande Studenten vor dem Rektorat und nennen das Protest. Es wird Rùcksicht genommen. Aber von wem fùr wen? Wenn das AWI geschlossen wird, was ja eigentlich schon beschlossen ist, haben die Protestierenden viel Rùcksicht auf das Studieninteresse der anderen Studierenden genommen, indem sie den Studienbetrieb nicht oder kaum gestòrt haben. (INFO: AWI=Alfred Weber Institut=VWL wird nach Mannheim verlegt und nur kleine Kernaufgaben bleiben in HD) Aber wieviel Rùcksicht haben diese auf die Belange der AWIler genommen? Gibt es da eine Gegenseitigkeit? Hàtten die AWIler nicht das Recht gehabt, den Studienbetrieb der anderen Fakultàten zu stòren, eben weil diese sich nicht solidarisierten.

In Italien lerne ich mehr als nur Italienisch. Manchmal muss man auf den Tisch steigen, um die Welt von einer anderen Perspektive zu sehen. Captain, oh mein Captain. (vgl. Weir, Peter 1989: Club der toten Dichter)

Ich werde tentativ (=Wissenschaftssprache fùr Versuchsweise) meine Vorlesungen besuchen…

Hasta la victoria, siempre

Christoph