Äthiopien (Teil 4 von 5)

Nach vielen Gesprächen und der Suche nach den perfekten Protagonisten beginne ich die ersten Muster zu erkennen. Selbstverständlich hat das keinen Anspruch auf eine ganzheitlichen Betrachtung, aber das ein oder andere gibt mir schon zu denken und ich weiß nicht so recht von welcher Seite ich das Pferd aufzäumen soll.

Als weißer in Afrika ist man schon sehr privilegiert. Man hat den besseren Zugang zu Wissen und Ausbildung, man wird (grundlos und zufällig) respektiert, und rückt schnell in die Rolle des Sonderlings. Die Leute drehen sich nach einem um, du wirst betrachtet wie ein Affe im Zoo, eine Silberdistel die auf der Almwiese heraussticht. Über die „Community“ bekommst du auch ohne besondere Fähigkeiten schnell einen Job, dessen Bezahlung es Dir erlaubt, ein eigenes Haus, Auto, Kindermädchen und Koch zu haben. Mittlerweile habe ich drei alleinerziehende Mütter getroffen, die so Vollzeit arbeiten können. Wären sie in Deutschland, würden diese Jobs gerademal für eine Zweizimmerwohnung in einer Durchschnittsstadt reichen – Sicher, das Internet ist schlecht hier, die Luft auch. Man wohnt ja halt nicht auf Sylt, sondern in einer Afrikas Megametropolen – vergleichsweise klein aber fein. Und wie steht es mit den DInKis? Dubble Income, no Kids oder with Kids? Ein Europäisches Gehalt und Afrikanische Ausgaben? Wie sagte es eine junge Mutter zu mir: Nach ein paar Jahren ist das Haus in Deutschland abbezahlt. Sie selbst ist ein MAP. Mitausreisende Partner. Denn viele von ihnen sollen oder dürfen nicht arbeiten und lassen ihre Welt als Hausmann oder Frau mit all den spannenden Aspekten einer sich entwickelnden Afrikanischen Großstadt verzaubern. Die Organisationen zahlen für sie mit. Eine Mutter hat um sich selbst beruflich verwirklichen zu können ihr Diplomatenvisum abgelehnt und stattdessen ein Businessvisum gewählt. Ganz einfach sei das nicht als weiße ganz ohne ein Netzwerk in so einem Umfeld beruflich Fuß zu fassen. Man kommt ja nur her, wenn man den Job schon hat. Äthiopien sei, höre ich, die zweitgrößte Expat Stadt der Welt. Viele der in den großen Metropolen Afrikas lebenden Ausländer können sich eine Rückkehr nach Deutschland nicht vorstellen. Zurück nach Deutschland mit all den Regeln, sie selbst stinknormal, eine kleine Wohnung in Eschborn oder Berlin statt Kolonialstil in einer Metropole. Dann noch der Verlust des Privilegienstatus  – Der Abstieg erscheint unvorstellbar.

Hier geben sich GIZ, DAAD, Götheinstitut, EU Depandancen, AU und die ganzen anderen Orgas aus Finnland, Schweiz, Schweden, England usw. usw. die Klinke in die Hand. Ja, es gibt sogar die einschlägigen Bars, in denen die nicht immer jungen Expats die jungen Äthiopierinnen abschleppen (sollen). Das hätte ich mir gerne heute abend mal angeschaut, aber leider hat unsere Verabredung für heute absagen müssen. Mir war es recht, denn ich bin stehend ko. Ich werde heute nur noch entspannen, material sichten, das Drehbuch auf Konsitenz überprüfen, Mathias coachen, also ein entspannter Abend.

Nicht so wie gestern. Daniel unser Fahrer hat uns zu einem Aperetiv eingeladen. Wir gehen in eine kleine Spelunke, die Dr. Irgendwas gehört. Den Name habe ich vergessen, aber sie nennen ihn Doktor, weil er ein Chemiker ist. Er und seine Mitarbeiter tragen einen weißen Kittel. Es werden Omlettbrötchen mit Hackfleisch serviert. Es läuft Äthiopisher Raggae der mir gut gefällt. Daniel hat früher als Fahrer im Tourismus gearbeitet. Er kennt scheinbar ganz Äthiopien wie seine Westentasche. Er erzählt, dass es in den 60er Jahren eine Gruppe Jamaikanischer Rückkehrer nach Äthiopien gab, die ein Stück Land von Hailie Selassie geschenkt bekommen haben, und sich dort von Haschisch ernähren. Essbares sollen sie zumindest nicht anzubauen. Vielleicht Hanfbrot?!

Mein Drink ist Vermute mit Gin und Kräuterlikör. Darin schwimmen zwei Stücke Banane und eine Orange. In einem vollen Saftglas. Das haut rein. Nach meinem zweiten Glas möchte ich Daniel einen traditionellen Drink aus meiner Heimat servieren. Ich schaue mich um. Ich sehe eigentlich nur Hartalk. Nach einigem Überlegen entscheide ich mich für Kuba Libre. Er hat zwar allen erdenklichen Fusel, nur keinen Rum. Kaluah und sahne brauche ich nicht mal drüber nachdenken. Deswegen gibt es Vodka und Mirinda. Was anderes ist mir mit diesen Zutaten nicht eingefallen. Dann geht es heim. Der nächste Tag ist hart und tut weh. Aber das ist eine andere Geschichte…

Viele Grüße,

Christoph