Bulgarien / Griechenland (Teil 2 von 3)
Hallo meine Lieben in Deutschland Zurückgebliebenen,
die meisten wissen es schon, ich bringe derzeit meinem Schwager ein gebrauchtes Auto nach Bulgarien. Da er im Moment auf der sonnigen Ferieninsel Milos arbeitet und wohnt, bringe ich ihm das Auto hierhin. Der Weg dorthin führte mich durch die Schweiz, Italien und Griechenland. Wir sind abends um acht losgefahren und waren morgens um vier in Bologna, wo ich bei meinem Lieblingspizzabäcker, einer Einwandererfamilie aus Bangladesch, frühstücken wollte. Da Semesterferien waren, und wie in Italien üblich im August nahezu alles Ferien hat, war er leider zu, so dass ich auf ein Geschäft eines Eingeborenen ausweichen musste und die lokal übliche Frühstückskost genoss: Cappuccino mit Panini. Frisch gestärkt ging es dann nach Ancona. Auf dem Weg habe ich noch nachts um eins an einer Raststätte in der Schweiz einen Rücksackreisenden Heidelberger aufgelesen den ich dort vor Betreten der Fähre noch verabschiedete. Gebucht hatten wir eine so genannte Deckpassage, also man schläft im freien oben auf dem Deck, besser, auf der Poolebene, wobei der Pool kein Wasser drin hatte. Dafür ließen sich ein paar 14-jährige auf Deck knusprig braten. Ich schlief dann auf der Isomatte, Rossi auf einer Bank und Sophia unter einem Tisch auf einer Isomatte. Irgendwie wie Campen, nur ohne Zelt. Am nächsten Morgen packten wir und erreichten dann Zeitnah Igoumenitsa, einen griechischen Hafen. Von dort aus sollte es laut Karte ein leichtes sein bis zu unserem Campingplatz in Delphi. Doch weit gefehlt. Griechenland ist, soweit ich das sehen konnte, eine Ansammlung von Bergen und Hügeln. Die Küste ist schroff und oft steil. Hier mal eine gerade Strecke zu finden ist nicht leicht. Die meiste Zeit bin ich Serpentinen oder Küstenlinien entlang gefahren. Was in Deutschland eine Sache von wenigen Stunden gewesen wäre, entpuppte sich als Odyssee quer durch Griechenland. Morgens um zehn los, Abend um neun da. Dafür wurden wir mit gigantischen Ausblicken, Naturlandschaften du einem Unwetter ungekanntem Ausmaßes belohnt. Es regnete von links nach rechts und zwar so heftig, dass ich nur noch 30m sehen konnte. Auf der Straße staute sich das Wasser, so dass deren Markierungen von den Wassermassen ertränkt wurden. Kurz darauf was der Spuk vorbei, ich kaufte für ein Euro pro Kilo mit liebe gepflückte und gezogene Tomaten.
Der Ausblick vom Campingplatz ist umwerfend. Ich überblicke ein ganzes, wirklich großes Tal gefüllt mit Olivenbäumen! Deren Stämme sind teilweise so dick wie ich mit ausgebreiteten Armen. Griechenland hat eine andere Geschwindigkeit als Deutschland. Der Mensch neigt dazu, alles was er sieht mit dem zu vergleichen, was er am besten kennt: Seine Heimat. Wir Ethnologen nennen dieses Phänomen Ethnozentrismus. Wenn diesem Vergleich auch noch eine Wertung folgt, dann ist die Konnotation dieses Wortes auch noch negativ. Deswegen möchte ich nicht werten, doch wirkt Griechenland für mich im Innern zerrissen. Auf der einen Seite dieses schwer zugängige Hinterland mit einer lässigen Gemütlichkeit und als Kontrast Athen mit seiner Hektik. Griechenland ist klein. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung lebt in dem Moloch Athen und seinem Hafen Piräus. Die Straßen sind eng und der Verkehr gleicht einer stinkenden Blechlavine, die sich täglich durch die Straßen schiebt. Und oberhalb dieser Hektik schwebt wie unberührt die Akropolis. Ohne Zweifel eines der beeindruckendsten Bauwerke die ich je gesehen habe! Auch Delphi steht der Akropolis kaum in etwas nach. Wer es nicht weiß oder wieder vergessen hat, das Orakel von Delphi hat in der Antike über Jahrhunderte die Mächtigen Griechenlands mit Rat versorgt und dafür „Geschenke“ erhalten. Die Geschenke waren so üppig, dass auf dem riesengroßen Orakelkomplex eigens für die verschiedenen Spender/Ratsuchenden Schatzhäuser errichtet wurden. Der Orakelspruch geschah wie folgt: es gab in vergangenen Tagen eine Erdspalte, aus der Schwefel Wasserstoffe entwichen. Diese wurden dann von einer Priesterin sanft inhaliert und deren Gefasel wurde dann von der Priesterschaft in Zusammenhang mit der Fragestellung zu einem Orakelspruch zusammengefügt. Ich stelle mir das so vor: Die Priesterin nimmt ihren vergoldeten Ministaubsauger aus dem Etui und saugt sich Grüngelbe Dämpfe mitten ins Hirn. Dann lallt sie in ihrem Rausch irgendeinen Stuss daher und die Priester haben alle Mühe, diesen Müll in eine Phrase zu stanzen. Wenn dann die wankende Priesterin doch mal aus ihrer Drogenhöhle rauskommt, drückt sie ein Priester wieder zurück und sagt dem Kunden etwas davon, dass sie „erschöpft“ sei und sich „ausruhen“ müsse. Diese Orakelsprüche waren berühmt für ihre Mehrdeutigkeit. Beispielsweise wollte der König der Lydier wissen, ob sich ein Angriff auf ein anderes Reich lohne. Die Antwort war, der Angriff werde ein Reich vernichten. Frohen Mutes ging er nach Hause ohne zu wissen, dass es sein eigenes Reich sein würde. Ich nenne so eine Praxis angewandten Haftungsausschluss. Ich frage mich ohnehin ernsthaft, wie sich das Schnüffeln von Drogen kommerzialisieren lässt? Die ersten Ethnologen, Archäologen und andere Geisteswissenschaftler haben z.B. ihr Hobby an die Akademie verfrachtet um dann unter der Flagge der Universität schrägen Tätigkeiten nachzugehen, Leute zu haben die diesen Kram auch noch freiwillig anhören und auch dafür noch gut bezahlt werden. Das Orakel hat das perfektioniert. Direkt am Berg Parnassos gelegen ist der Orakel Freizeitpark mit Stadion, Theaterbühne, Schatzhäusern (oder besser Geldspeichern?) und jeder Menge anderer Freizeitmöglichkeiten. Wahrhaft ein Traum vergangener Tage der endete, als ein Erdbeben diese Dampfspalte verschloss…
Aber zurück zu unserer Reise. Wir sind nun auf Milos angekommen und mein Schwager ist überglücklich mit seinem neuen Auto. Ich freue mich, dass er sich freut und nun heißt das für uns die Füße hochlegen und entspannen. Gelegentlich baden oder einfach mal nichts tun.
In diesem Sinne
Christoph