Es kann ganz schön kalt werden im hohen Norden. Heute Nacht hatte es -9°C. Jetzt wo es wieder wärmer ist, gehen wir den neuen finnischen Trendsport spielen: Frisbee Golf. Trotz der nur noch minus 7°C, ist mir das doch zu frisch, und so gehen wir schon nach einem Lauf. Vieles hier ist auf diese Witterungen ausgerichtet. Autos haben Tauchsieder in der Ölwanne, um bei arktischen Temperaturen das Öl aufzutauen. Dafür stehen an vielen Parkplätzen Stromanschlüsse. Ladengeschäfte und Supermärkte haben mindestens zwei Türen und die Fenster sind drei- bis vierfachverglast. Große Shoppingmalls ersetzen die Innenstädte. Nahezu alles ist automatisiert und per Internet buchbar. Gespielt wird Online, Skype kommt aus Estland, sogar im Zug bekomme ich automatisch einen Sitzplatz zugewiesen. Kein Wunder das dieses Land mit Nokia einen Wegbereiter der Mobiltelefonie hervorbrachte. Im Zug gibt es eine „Telefonzelle“, in der man für sich und andere ungestört telefonieren kann. Auf den Straßen gibt es Winterreifenpflicht und zum Teil haben die Reifen Metallspikes. Auf Finnlands Straßen herrschen strikte Geschwindigkeitsbeschränkungen mit drakonischen Strafen. In den unendlichen Weiten der Wälder allerdings gelten diese nicht, was Finnland einen schier unerschöpflichen Quell an hoch talentierten Rally Fahrern beschert. Neben Eishockey, Gummistiefelweitwurf und Handyweitwurf, eine weitere sportliche Paradedisziplin des Landes. Fotografieren ist besonders erschwert, denn wirklich überall stehen Laternen dicht an dicht gedrängt, es ist eben oft und lang dunkel. Finnland unterhält eine Eisbrecherflotte um die Seewege frei zu halten. Sogar im Flugzeug erkennt man die Deutschen, da sie meist einen dicken Pullover oder noch die Jacken anbehalten haben. Die Finnen sitzen im T-Shirt und die gerade sehr modischen schwarzen Leggings werden nicht nur im Flugzeug, sondern auch draußen bei allen Temperaturen getragen. Mich schüttelt es bereits beim Zusehen.

Was, außer der Kälte und der Dunkelheit, wird mir von dieser Reise am ehesten in Erinnerung bleiben? Die Sprache schenkt mir immer wieder wunderschöne Momente. Der Weg zum Flughafen führt mich durch ein Städtchen mit dem Namen „Veckal“, eine Hipster Kette trägt den Namen „Fressi“, eine andere Restaurant Kette „Pupu“ und eine „Suomi Pussi“ ist eine finnische Tüte.

  • Guter Wurf

    Die Scheibe soll in den gelben Korb am Horizont

Insgesamt scheint die ganze Technologie des Landes darauf ausgerichtet zu sein, möglichst wenig persönlichen Kontakt herzustellen. Mit meinem wilden Bart komme ich mir vor wie ein Trapper, der mehrere Wochen in der Wildnis hauste und nun sich daran erinnert, dass man seinen Hals zu mehr nutzen kann als Essen zu schlucken und zu Atmen.

Turku ist eine kleine Universitätsstadt, dessen Zauber sich im Sommer entfaltet (Thumbs Up!). Große Wiesen am Flussufer laden wie die Neckarwiese oder der Schlosspark zum Feiern und Verweilen ein. An einer Bushaltestelle in der Stadt begegnen wir zwei Füchsen. Kleine Inseln an der Flussmündung sind hervorragend zum Paddeln, Campen oder für Tagessausflüge. Auf einer dieser Ausflugsinseln befindet sich eine öffentliche Sauna. Zum Abkühlen geht es direkt in die Ostsee. Wegen der Eisberge wurde ich allerdings gewarnt, vorsichtig ins Wasser zu gehen. Die Finnen finden die Deutsche Saunakultur ziemlich albern. Hier saunieren die Geschlechter getrennt, und wenn nicht, trägt man die Badesachen. Im Minutentakt wird aufgegossen. Alkohol und Sauna gehören für viele zusammen, auch in der Sauna selbst. Wer möchte, darf sich unterhalten. Im südwestlichen Teil Finnlands scheinen die Menschen deutlich kommunikativer zu sein, als in den Landesteilen, die ich vorher kennen lernte. Beim Verlassen der Sauna sehe ich eine Kolonie an Dauercampern. In den meisten Wohnwagen brennt Licht. Ich schüttle den Kopf vor so viel Unverfrorenheit.

  • Ostsee

  • Öffentliche Sauna

  • Die beiden Füchse sind schwer zu erkennen

  • Dauercamper

Ich bin erstaunt über die Kinderfreundliche Politik dieses Landes. Der Kindergartenplatz wird nach Einkommen der Eltern berechnet. Eltern mit Kinderwagen fahren kostenlos Bus. Es gibt in den Zügen riesig Spielplätze. Die Spielplätze in den Städten werden vormittags betreut. Für Monatlich etwa 60 Euro kann man sein Kind einen Monat dort parken. Über das beste Schulsystem der Welt habe ich ja bereits geschrieben. Gibt es an einer Schule 5 Schüler mit einer gemeinsamen, nicht-finnischen Muttersprache, bekommen sie Unterricht in dieser Sprache.

Mein Weg führt mich nun zurück in die Heimat. Finnland und Estland werde ich nicht so schnell vergessen. Es ist immer wieder eine große Bereicherung in andere Kulturen einzutauchen, und dieses Mal war es besonders schon meinen guten alten Freund Heikki und seine Familie zu treffen. Die finnische Gastfreundschaft sucht in Europa seines Gleichen.

Viele Grüße und hoffentlich bis zum nächsten Mal.

  • Spielplatz im Zug

  • Betreuter Kinderspielplatz